Retaliation – Vergeltung (Part 1)

Jedes Mal, wenn ich das Foto von mir und meiner Schwester betrachtete, kamen dieselben Gefühle und Gedanken in meinem Inneren wieder zum Vorschein.

Es war das letzte Foto von uns beiden.

Ich hatte sie damals auf einen Drink bei Bondy’s in Manhattan eingeladen.

Zur Abwechslung hatte ich mal etwas Besonderes mit ihr unternehmen wollen. Vielleicht auch nur, um unserer tristen Wohngegend in Brooklyn wenigstens einen Abend lang zu entfliehen. Sich mal das Leben auf der anderen Seite der Stadt anschauen. So tun, als käme man aus einem anderen sozialen Umfeld. Eins, das seine Nächte am Wochenende nicht in einem Pub wie dem Billy‘s Apple verbrachte, sondern bei einem Nachtclub wie Bondy’s.

Mein Blick fiel erneut auf das Foto. Kurzentschlossen nahm ich es in die Hand. Nach einer Weile riss ich mich von dem Bild los, zog eine Schublade auf und warf es hinein. Ich griff nach dem Wohnungsschlüssel und machte mich auf zu meiner Schicht im Billy’s Apple.

Der Flur auf meiner Etage war spärlich beleuchtet, seitdem eine der Glühbirnen den Geist aufgegeben hatte.

Mit schnellen Schritten ging ich in Richtung der zwei maroden Aufzüge. Das hallende Geräusch meiner Schritte auf dem leeren Gang ließ mich noch ein wenig schneller werden. Bei den beiden Aufzügen angekommen, drückte ich den Pfeil nach unten und wartete.

Ich drehte mich zurück in Richtung des Gangs, der sich mir im halbdunkeln genauso verlassen wie zuvor entgegenstreckte. Aus einer der Wohnungen ertönte das blecherne Gelächter einer Sitcom. Es passte nicht zu der düsteren Atmosphäre hier. Bewusst ignorierte ich die Schatten, die die Türrahmen warfen und wendete meine Aufmerksamkeit auf die langsam sinkende Anzeige des rechten Aufzugs.

Dieser kam schließlich ächzend zum stehen und die Tür teilte sich. Ich stieg in den leeren Aufzug ein, drückte und die Tür schloss sich wieder. Mit dem üblichen Ächzen setzte sich der Aufzug in Bewegung.

Auf der nächsten Etage hielt er wieder an.

Die Tür teilte sich erneut.

Ein dunkelhaariger Mann um die dreißig stieg ein. Er war unrasiert und seine braune Cordjacke schien ebenfalls bessere Tage hinter sich gehabt zu haben.

Die Tür schloss sich wieder.

Bis auf die Geräusche des fahrenden Aufzugs war es still. Der Mann starrte gedankenverloren vor sich hin.

Nach einer Ewigkeit hielt der Aufzug im Erdgeschoss.