by Beata Beck
Wieso wurde der Rilkeplatz eigentlich nach dem vielfach die Welt bereisten Schriftsteller, dessen melancholische und nachdenkliche Zeilen mir immer wieder in der Gesangsliteratur begegnen und dessen feine Art, Worten Ausdruck zu verleihen, generell anzieht, benannt? Eine nähere Ausforschung hat ergeben: Der Rilkeplatz hieĂź frĂĽher eigentlich Rainerplatz, geziert vom Rainerbrunnen – erbaut 1902 von Richard Kauffungen und benannt und optisch dargestellt nach dem Erzherzogpaar Maria und Rainer. Der Brunnen wurde im Zweiten Weltkrieg aber zerstört, weshalb der ursprĂĽnglich vor der Paulanerkirche platzierte und von den beiden Staatsopernarchitekten Sicard von Sicardsburg und Eduard van der NĂĽll Mitte des 19. Jahrhunderts errichtete Schutzengelbrunnen auf den Rainerplatz verlegt wurde.
1897 besuchte Rilke Vorlesungen an der Uni Wien und ab 1914 war er als Ă–sterreicher anlässlich des Ersten Weltkrieges fĂĽr zwei Jahre in der HĂĽtteldorfer Kaserne stationiert – gemeldet war er auf der Wieden, u.a. in der Viktorgasse 5a als Gast bei FĂĽrstin Maria von Thurn und Taxis. Er befand sich inmitten einer langjährigen Schaffenskrise und verkehrte viel im CafĂ© Imperial. Unter seinen Freunden befanden sich zwei weitere meiner Lieblingsschriftsteller: Hugo von Hofmannsthal und Stefan Zweig. Alle drei verbindet diese feine und sensible Art des Schreibens und die psychologische Auseinandersetzung der GefĂĽhle sowie der Gesellschaft. Rilke hatte ja ein sehr interessantes, bereits von Kindheit an äuĂźerst bewegtes und bewegendes Leben gehabt. Durch seine lebenslangen Verbindungen mit der russisch-deutschen Schriftstellerin, Philosophin und ersten weiblichen Psychoanalytikerin Lou Andreas-SalomĂ©, welcher er Hals ĂĽber Kopf verliebt verfallen war, bin ich auch auf sie als spannende Persönlichkeit aufmerksam geworden. Auf ihren Rat hin änderte er seinen Namen von RenĂ© auf Rainer.
Moment mal. Der Rilkeplatz hieß doch früher Rainerplatz! Der Rainerplatz stand aber nicht in Verbindung mit Rainer Maria Rilke, sondern mit Erzherzog Rainer und seiner Frau, die auch noch Maria hieß. Welch interessanter Zufall…! Oder wurde bei der Namensänderung bewusst ein Wortspielchen eingesetzt? Nun, mein Gedanke unterliegt wohl eher künstlerischer Natur und die Frage bleibt wohl offen.
Ganz oben zu meinen Lieblingsschriftstücken gehören Rilkes „Briefe an einen jungen Dichter“, die ich jedem Künstler und Kunstliebenden wärmstens an’s Herz legen möchte. Bei diesem Titel fallen mir auch gleich die ebenso sehr zu empfehlenden „Briefe an eine junge Pianistin“ von Gidon Kremer ein. Beide Schriften handeln vom künstlerischen Belangen der jeweiligen Sparte, Ratschläge gereifter Künstler an jüngere und sind beglückend zu lesen.
© Beata Beck 2023-01-17