Lieber Martin Blumenau,
geschockt vernehme ich die Nachricht aus dem Radio, dass du von uns gegangen bist. Nach kurzer schwerer Krankheit, so steht auf fm4.orf.at. Dann ist es gut, dass du nicht lange leiden musstest. Du wirst eine Lücke hinterlassen in der österreichischen Medienlandschaft, die groß sein wird. Die niemand mehr wird füllen können.
Du warst ein scharfsinniger Beobachter der österreichischen Innenpolitik, besonders die hier gängige Praxis des Nepotismus war dir ein Graus. Deine Journaleinträge waren immer lang, doch nie langweilig, pointiert, gut recherchiert und beobachtet. Beim Thema Fußball hat dir niemand was vorgemacht.
Du hast polarisiert, bei Phone-In Sendungen kam sogar ein Disclaimer „zuhören und anrufen auf eigene Gefahr“. Ich habe mit vielen Leuten gesprochen, für die du ein rotes Tuch warst. Ich habe dich ganz anders wahrgenommen, du warst sehr freundlich und großzügig, wenn man freundlich zu dir war. Wenn jemand anrief und deppert war, warst du eben stinkig zurück. Das ist würdig und recht, ich mochte das.
Ich habe einen Wochenende im Regen und Gatsch mit dir verbracht, damals am legendären Nuke Festival in meiner Heimatgemeinde Hofstetten and der Pielach, wo es einfach nicht augehört hat zu regnen, ich als Journalistin für the gap mit dir im trockenen Backstagebereich, mit Michi von Heinz aus Wien. Live-Auftritte von Jamiroquai, Giovanotti, den unglaublichen Stereo MCs. Und dann Jimmy Cliff, I can see clearly now, the rain has gone, genau in dem Moment hörte der Dauerregen auf. Daran denke ich gerne zurück. Das kann uns niemand mehr nehmen.
Irgendein Spast fragte dich, wer du bist und du hast geantwortet „der Chef vom 3. Bezirk“. Das hatte auch was Wahres. Die Argentinierstraße zumindest hast du gerockt. Als Chef vom Dienst warst du die Seele und der Angelpunkt von FM4.
Ich habe mitbekommen, dass du Vater geworden bist, ich wünsche deiner Familie viel Kraft für die kommende Zeit. Aber es ist so viel von dir da was bleibt. Journaleinträge im Archiv, die Erinnerung an die gemeinsamen Zeiten, die kurz waren, aber eindrücklich. Dein Humor, dein scharfsinniger Verstand, deine spitzen Gemeinheiten gegen Dillo-Anrufer, die krampfhaft lustig sein wollten oder nicht zum Punkt kommen konnten. Peinliche Momente der Diskussion über den 2. Weltkrieg und Feminismus am Protest Song Contest, wo sich Moderator Ostrowski am liebsten ein Loch gegraben hätte. Auch das warst du, streiten konnte man gut mit dir, deine Meinung war immer stark und gestützt von umfassendem Wissen.
Deinen Hatern habe ich immer diese Geschichte erzählt: Du schriebst kurz auf FB, dass eine „Göttin am Bösendorfer“ ins Radiokulturhaus kommt. Ich sofort PN an dich, wie was wann was muss ich tun für eine Karte? Und du, das ist viel zu viel Aufwand, du bist einfach mein Plus 1. Ich habe mich mit einer Schachtel Physalis bedankt, denn diese Früchte hast du heiß geliebt. Tori Amos im RKH, das war der Wahnsinn, ich kann dir nicht genug danken.
© Sabrina Nußbaumer 2021-07-30