Rosas Schnaps-Teil 2

Martin Achrainer

by Martin Achrainer

Story

Rosa spürte, dass die Beamten dieses Mal den zu viel gebrannten Alkohol bemerken würden. In den letzten dreißig Jahren war sie sehr bemüht, diskret zu arbeiten. Wenn Kontrollen ins Haus kamen, war ihr Schwarzbrennen immer unbemerkt geblieben. Kaum war ein Liter abgefüllt, versteckte man ihn gleich auf dem Dachboden. Die fertig ausdestillierte Maische wurde an die Schweine verfüttert oder vergraben. Auch die Plombierung an den Brenngeräten konnte sie so meisterhaft manipulieren, dass die einfachen Zollbeamten dies nie bemerkten. Aber seit der Betrieb und die Brenngeräte übergeben worden waren, wurde nicht mehr so vorhersehend und vorsichtig gearbeitet.

Jakob spürte, wie Panik aufkeimte und das Adrenalin in seinen Körper schoss. Kleine Angstschweiss-Rinnsale perlten über seinen Rücken. Etwas zu verheimlichen, oder zu unterschlagen war für ihn kein Problem. Die Konsequenzen wollte er dennoch nicht tragen. Kurzerhand erklärte er seine alte Mutter zur Schuldigen. Die Brennerei sei in ihrer Zuständigkeit und er habe keinen Überblick was und vor allem wie viel gebrannt würde.

Die Mühlen der Bürokratie mahlten langsam, doch unaufhaltsam. Mehrere Monate später stand Rosa vor dem Richter. Ohne mit der Wimper zu zucken und eher belustigt, nahm die alte Bäuerin die Schuld auf sich. Schließlich habe sie nur ein paar Leute zu viel besoffen gemacht, aber niemanden umgebracht. In ihrem Alter würde sie sicherlich ein mildes Urteil erhalten! Davon waren sie felsenfest überzeugt.

Die Geldstrafe war horrend! Trotz des Erfolges der letzten Jahre war der Betrag für die Familie nicht tragbar. Keiner von ihnen hätte vor der Urteilsverkündung im Entferntesten gedacht, dass Oma Rosa wegen Schwarzbrennerei für acht Wochen ins Gefängnis müsse. Sprachlos, bleich und verzweifelt vor schlechtem Gewissen, blickte Jakob in die Augen seiner Mutter. Doch er sah weder Angst noch Wut. Rosa lächelte ihn amüsiert an. Sie hatte schon lange kein Abenteuer mehr erlebt. Ein achtwöchiger Gefängnis Aufenthalt war kein Weltuntergang. Es fühlte sich eher an, als ob sie eine exotische Ferienreise gewonnen hätte.

© Martin Achrainer 2021-08-22

Hashtags