Mein Bruder sagt, sie seien die besten Pralinen, die er kenne – meine Nichte liebt sie, meine Mama verschenkt sie und ich lasse sie mir gerne auf der Zunge zergehen.
Es war zum 200. Todestag des berühmten Komponisten, als der Mozartkenner Rudolph Angermüller mit seiner Idee an meinen Onkel Ludwig Rigaud herantrat. Die „Alte Hagenauersche Specereywarenhandlung“, später Stranz & Scio, war in Salzburg immer schon die erste Adresse für Feinkost, Kaffee und Gewürze gewesen.
Etwas Außergewöhnliches sollte zur Sonderausstellung 1991 präsentiert werden, ein Petit Four, wie es bereits Mozarts Zeitgenosse Antonio Salieri verzehrt hatte. Das Originalrezept bestand aus gekochten, in Cognac marinierten und mit Zuckerfondant überzogenen Edelkastanien.
Ludwig Rigaud ließ sich von Angermüllers Idee inspirieren. Also beauftragte er die Patisserie in Mozarts Geburtshaus mit einer modernen Rezeptur:
Die >Original Salzburger Venusbrüstchen<, auf Italienisch „Capezzoli die Venere“, waren geboren. Im selben Haus hatte Wolfgang Amadeus Mozart das Licht der Welt erblickt. Der Feinkostwarenhändler Lorenz Hagenauer war zu jener Zeit Hausherr in der Getreidegasse 9 und mit Familie Mozart bekannt. Angermüller konnte belegen, dass die süßen Venusbrüstchen gerne als Dessert vernascht wurden. Vor allem Antonio Salieri, Mozarts größter Gegenspieler, war ihnen sehr zugetan. Mein Onkel erzählt: „Ich investierte viel, um die Pralinen bekannt zu machen und kontaktierte einen österreichischen Pralinenhersteller, wo sie bis heute exklusiv für Stranz & Scio per Hand gefertigt werden.”
Als das Feinkostgeschäft in Mozarts Geburtshaus zusperrte, konnte man bei „Scio’s Specereyen“ in der Sigmund-Haffner-Gasse 16 einkehren, wo mein Onkel die Venusbrüstchen zu Sekt und Kaffee reichte. Vereinzelt wurde zwar nicht gutgeheißen, dass die Pralinen mit dem rosa Tupfen einer weiblichen Brust glichen, trotzdem konnten sich die Capezzoli in der Mozartstadt bis heute behaupten.
Schließlich waren die Venusbrüstchen bei der Landesausstellung 2006 vertreten und mein Onkel gewann einen Rechtsstreit gegen den Pächter, der versucht hatte, aus der köstlichen Erfindung selbst Kapital zu schlagen. Heute werden sie online vertrieben und sind bei Azwanger, Braun, Feinkost Salzburg und in der Kaigasse im s’Fachl erhältlich.
„Nach fast dreißig Jahren konnte ich sie endlich unter dem Namen >Original Salzburger Venusbrüstchen< markenrechtlich schützen lassen”, freut sich Ludwig Rigaud. Er ist seiner Heimatstadt Salzburg sehr verbunden, liebt Musik von Mozart wie das Terzettino „Soave sia il vento“ aus Cosi fan Tutte oder das Klavierkonzert Nummer 21. Nach einem Spaziergang über den Mönchsberg kehrt er gerne bei Azwanger am Universitätsplatz, in der Konditorei Schatz oder im Café Mozart ein, alle keine hundert Meter vom berühmtesten Haus Salzburgs entfernt.
© Monika Bayerl 2023-01-28