Mit einem starken Akkord trat die kubanische Musik in mein Leben: mit dem Intro zu dem Lied “Chan Chan” aus “Buena Vista Social Club“, dem legendären Film aus dem Jahr 1999. Salsa gefiel mir so gut! War bald für mich der schönste, der einzige Tanz, den ich unbedingt erlernen wollte.
Nach kleineren, wenig erfolgreichen Tanzversuchen reisten Christian und ich im Sommer 2011 für 3 Wochen nach Kuba und hatten in Havanna, für 1 Woche einen Tanzkurs gebucht. Unser Hotel, direkt am Meer gelegen, war eine etwas heruntergekommene Anlage, mit einem alten Akkordeonspieler, der jeden Morgen im Frühstücksraum aufspielte: Was für ein Job, dachte ich. Und dann, jeden Tag, ein paar Stunden Salsakurs, in einer kleinen Tanzschule, einem mit Spiegelwänden und Klimaanlage versehenen Raum: Mir wurde ein großer, dunkelhäutiger Kubaner, Christian eine temperamentvolle Kubanerin als Tanzpartner, beziehungsweise Tanzpartnerin zugeteilt. So sollten wir die „Basics“ und einige Figuren lernen; tatsächlich fiel uns das, nach anfänglicher Begeisterung, gar nicht leicht. Allein der Grundschritt erwies sich als schwieriger, als wir gedacht hatten, sodass wir am dritten Tag ein wenig den Mut verloren hatten, diesen Tanz zu erlernen. Dann aber, irgendwann, hatten wir den Rhythmus internalisiert, wurden freier und freudiger und besuchten, am Ende des einwöchigen Kurses, eine große Casa de la Musica; eine Art riesige Salsadisco, voll mit tanzwütigen Kubanern und Kubanerinnen. Dort ging, wie man so schön sagt, die Post ab. Es war heiß. Die Männer trugen Schweißtücher, die immer wieder zum Auswinden nass waren, in ihren Hosentaschen. Eine Weile sahen wir den Tanzenden zu, nippten an einem Mojito. Dann stürzten wir uns selbst ins Geschehen und wurden mitgerissen: „La vida es un carnaval”… Erfüllt von dem Erlebten und etwas traurig, weil der Tanzkurs nun vorbei war, verließen wir am nächsten Tag Havanna, um Kuba zu erkunden.
Erst im Zuge dieser Reise wurde mir bewusst, wie eingeschränkt in punkto Medien die Menschen lebten: Es gab nirgends Zeitungen, kaum Bücher, das fand ich unglaublich. Aber es gab überall Musik. Hauptsächlich Livemusik. Und Menschen, die spontan dazu tanzten. Die Musik war die Sprache der KubanerInnen, das wurde uns mehr und mehr klar. Wir durften an atemberaubend schönen Stränden verweilen, in einer herrlichen Unterwasserwelt tauchen und schnorcheln; wir tauchten ein in die Geschichte und Geografie Kubas, nahmen Quartier in verschiedenen Casa Particolares, also Privatunterkünften, und sprachen mit Einheimischen über ihr schweres, unterdrücktes Leben. Und überall wieder Musik und Leute, die spontan tanzten: abends, in einem Lokal, mittags auf dem Platz vor einer Kirche, vor einem Einkaufszentrum … Am Ende unserer Reise fühlten wir uns frei genug, auf einer Tankstelle, zu Salsamusik aus einem Lautsprecher, ebenfalls spontan, einige Runden zu tanzen. Das war, was wir aus Kuba gerne nach Österreich mitgenommen hätten. Allein war uns dies dann doch nicht möglich: Öffentlicher, spontaner Tanz ist hierzulande nicht üblich.
© Roswitha Springschitz 2021-02-22