Samichlaus du liebe Maa …

Marianna Vogt

by Marianna Vogt

Story
Weihnachtsbriefkasten in Bern Bethlehem 2024

So was von peinlich! Zum Glück war gestern Abend nur noch Frau Müller im Office. Als ich mich von ihr verabschiedete, übergab sie mir eine Tasche mit Briefumschlägen und eine Tageskarte für den öffentlichen Verkehr. Sie meinte, ich hätte für diese Woche genug gearbeitet. Sie schenke mir den morgigen Tag. Einzige Bedingung: Ich müsste ihre Weihnachtspost in den Briefkasten in Bethlehem einwerfen. Ich schaute sie verwundert an. «Warum Bethlehem – gibt es hier nicht genügend Postkästen?» 
Frau Müller antwortete: «Die Briefe werden morgen extra mit dem Bethlehemer Weihnachtsstempel verschönert.» 
Auf meine Frage, ob sie mir das Flugticket aushändigen könne, lachte sie laut: «Holly, ich glaube, du kennst nicht viele Orte in der Schweiz. Bethlehem gehört zu Bern West. Es ist ein Quartier mit großen Wohnüberbauungen.» 

Holly schielte auf die Empfängeradressen. Warum um alles in der Welt schickt sie sich eine Weihnachtskarte? Just in diesem Moment klingelte Hollys Handy. Es war Omama. «Hallo Kindchen, hier spricht Omama. Ich hoffe, ich störe nicht. Danke nochmals, dass du die Kette gefunden hast. Meine Freundinnen beneideten mich um das schöne Schmuckstück.»
«Nein, nein, du störst nicht», antwortete Holly. «Ich habe heute frei und fahre nach Bethlehem um die Weihnachtspost von meiner Chefin aufzugeben.»
Holly hörte, wie ihre Großmutter leise lachte. 
«Interessant, wenn es die Zeit damals zuließ, tat ich dies auch. Und. Ich habe mir selber auch stets eine Karte geschickt, sozusagen als Kontrolle. So wusste ich jeweils Bescheid, wann die anderen meine Weihnachtspost erhielten. Dann will ich dich nicht länger aufhalten, Holly. Vielleicht begegnest du heute noch dem Niggi Näggi.»

Holly stieg an der besagten Haltestelle aus. Sie schaute fragend um sich: «Uii, in welche Richtung soll ich bloß gehen?» Nach einigem Suchen und Durchfragen erblickte sie endlich den besagten Postbriefkasten. Etwas weiter hinten saß auf einem Korbstuhl ein rot gekleideter Nikolaus mit großem weißem Bart. Als er Holly erblickte, winkte er ihr lachend zu: «Komm her zu mir und sag mir dein Sprüchlein auf, dann will ich dich reich beschenken!»
Holly überlegte. Ihr kam das Zitat von gestern in den Sinn. Sie entgegnete: «Hohoho! Nikolaus sag’ geschwind, wie viele Bücher hast du schon gelesen?  Ich geh’ nur kurz die Briefe auf die Reise schicken, da komm’ ich zurück zu dir.» 
Als Holly wieder vor ihm stand, streckte er ihr ein Säckchen entgegen. Der Nikolaus sah Holly die Enttäuschung an und antwortete: «Hier drin wartet eine Überraschung», dabei lachte er spitzbübisch.
Auf der Rückfahrt leerte Holly die Süßigkeiten, welche sie vom Nikolaus erhielt auf ihren Schoss. Sie machte große Augen. Nebst den Schleckereien erblickte sie auch am 6. Dezember wieder eines dieser ihr zwischenzeitlich bekannten Kärtchen. Schnell faltete sie es auf und las: In Freiheit, mit Büchern, Blumen und dem Mond – wer könnte da nicht glücklich sein? Oscar Wilde.

Die Geschichte ist eine Mischung aus Märchen und Realität!

Titelbild: Weihnachtsbriefkasten Bern Bethlehem

© Marianna Vogt 2024-12-06

Genres
Novels & Stories
Moods
Abenteuerlich, Hoffnungsvoll, Inspirierend
Hashtags