by Weudl
In mir lebt eine Leidenschaft. Eine Leidenschaft, die Leiden schafft. Sie erregt eure Gemüter und hetzt euch gegeneinander auf. Sie verherrlicht die falschen Werte und nährt den Grundbedarf an kleinen und großen Übeln. Mit ihr existiert eine gewisse Koexistenz, welche meine intrinsische Motivation ergo Geilheit auf Basis von Wut und Verbreitung gewisser Gehässigkeiten manifestiert. Aus diesem Grund überlegt mein Ego nicht bevor es spricht, sondern spricht bevor es denkt. Dadurch gelangen die meisten Leser und Leserinnen in den Vorhof zur Hölle. Denn dieses unzensierte Gedankengut, welches definitiv nicht für die breite Masse bestimmt ist, erweckt die sinnbefreite Intention von Abstoßung. Meistens schenken mir die Leute für meine Worte ein Lächeln, da sie gedanklich, wahrlich Mitleid mit mir armen Schlucker haben. Doch euer Mitleid könnt ihr euch sparen. Ich feure meine unschuldigen Worthülsen in die weite Welt hinaus. Es folgt kein Widerspruch, kein Aufschreien. Nicht einmal ein <Halt einmal die Goschn>, bekomme ich zurück. Der Achselhaarföhner erledigt sein tägliches Geschäft zurück und auch die Beigefahrhundeaufdenarmnehmerin gönnt ihrem Dackel keinen Moment am stillen Örtchen. Ja, die Welt steht Kopf und als Teil dieser Misere brenne ich voller Leidenschaft.
Doch gibt es auch ein festverwurzeltes Verlangen in meiner Seele. Denn diese, meine Seele, sehnt sich nach unnachgiebiger Harmonie. Täglich versuche ich die Menschen, die mich eigentlich nicht leiden wollen können, zu ästhetisieren. Dabei trenne ich die Welt und meine Mitmenschen natürlich nicht ausschließlich nur in Schwarz und Weiß. Nein, ich unterscheide tatsächlich und aus vollster Überzeugung alle mir bekannten Farbtöne. Somit wirkt alles ein wenig taubengrau für mich. Und während ich als Oldschool-Desktop-User neben einer Energiesparlampenkäuferin in der endlosen Warteschlange fürs nächste Ärztekonzert anstehe, überkommt mich die Verwurzelung. Ich harmonisiere meine Mitmenschen. Schenke ihnen ein fast glaubwürdiges Lächeln und tröste die Extraaufgabenlöserin beim Versuch eines Extrakreuzworträtsels. Ein Gartenzwergaufsteller wackelt zu uns und nimmt die Arme, mir Unbekannte, in den Arm. Das jähe Schluchzen findet ein Ende. Harmonisierung liegt in der Luft.
Zwischen diesen beiden Fronten sitz’ ich alter Beckenrandschwimmer nun und sinniere Tag für Tag über den Sinn des Lebens. Die Einfachheit der Dinge verzaubert meinen Verstand. Der Mut zur Lücke ist beschämend bekannt. Und dennoch halte ich es fest in meiner Hand. Meine Begierde zerstört all die konservativen, religiösen Unterschiede. Meine Lust nimmt dir ganz bewusst deinen gesamten Frust. Selbst meine Sehnsucht trifft dich nicht unsporadisch mit voller Wucht.
So steck ich fest in meiner Leidenschaft, die mir so viel Hoffnung macht und dem Leiden das Leid abschafft.
© Weudl 2023-02-18