Schlaflos

S. Pomej

by S. Pomej

Story

Nach einem Albtraum aufgewacht um 3 Uhr frĂŒh – Puh – an Einschlafen ist nicht zu denken. Aufgekratzt schwinge ich mich aus dem zerwĂŒhlten Bett. Da gibt es den Spruch, dass man gute Freunde auch mitten in der Nacht anrufen kann, doch wage ich nicht, ihn in die Tat umzusetzen, denn die letzten paar will ich nicht auch noch verlieren. Was tun? Ich könnte schreiben, online-spielen oder lesen, aber das tue ich ja tagsĂŒber schon, nein, die Nacht ist fĂŒr was Besseres da. Also krame ich in meinen Sachen, um etwas zu finden, von dem ich nicht weiß, was es ĂŒberhaupt ist. Eine Überraschung in den Tiefen meines Hausrats sozusagen, doch stoße ich nur auf einige Relikte aus der Vergangenheit. Ein Halbjahrszeugnis mit einem 5er – warum existiert das noch? Mit der Schere schnipple ich die einstige Niederlage in Streifen und wĂŒhle weiter, finde ein Foto, auf dem ich blöd grinsend zwischen zwei Leuten stehe, die ich nimmer erkenne – ritsch-ratsch, weg damit! Wer die wohl waren? Egal! Ich finde einen Schweizer Kracher von Silvester anno dazumal. Den könnte ich anreiben und aus dem Fenster werfen, damit die Nachbarn auch aus dem Schlaf schrecken, doch dazu bin ich schon zu angepasst. Mein alter Minirock! Passt mir der noch? Hach, ich zwĂ€nge mich rein, stell mich vor den Spiegel und schaudere – war ich frĂŒher untergewichtig, oder was? Weg damit! Altes Weihnachtspapier – ich verschenke eh nix mehr und es ist so zerknittert, da fĂ€llt auch noch ein AnhĂ€nger raus, auf dem steht in Normschrift:

FĂŒr Dich hol ich die Stern vom Himmel, Du schreibst wie Mario Simmel

Frechheit, ich schreib doch nicht wie der Kitschroman-Autor! Von wem war das Geschenk? Ah, Norbert! Den hab ich doch schon ĂŒber zehn Jahre nimmer gesehen! Steht der im Telefonbuch? BlĂ€tter, blĂ€tter, nein, hat wahrscheinlich genug von unerwĂŒnschten Anrufen oder ist schon tot. Der hatte doch den roten Audi, oder nein, das war der andere, ja, einer von denen auf dem Foto! HĂ€tt’ ich doch nicht zerreißen sollen. Uff, mein GedĂ€chtnis ist ĂŒberfordert, aber darin tummeln sich ja nicht nur Figuren aus der RealitĂ€t, sondern aus meiner Fantasie, die von mir fĂŒr die Ewigkeit in der Literatur festgehalten werden wollen. Wie hieß jetzt der mit dem roten Audi? Irgendwas mit H – Herbert, Hannes, Helmut, heute haben’s die MĂ€dels einfacher, da heißt jeder 2. Leo. Ich kannte so viele, die Alex oder Thomas hießen, jetzt fĂ€llt’s mir ein: Der Kerl mit dem Audi hieß Christian! Und der hat mir nie etwas geschenkt, nur Essen im Restaurant spendiert. Was hat mir Norbert damals zu Weihnachten ĂŒberreicht? Ach, es muss an dem Albtraum liegen, der meine Sinne total vernebelt, fĂŒr Alzheimer bin ich doch noch viel zu jung und meine Oma war mit 95 noch geistig fit. Was hab ich nochmal getrĂ€umt? Irgendwas mit Wasser. Ja, ich taumle auf einem BrĂŒckengelĂ€nder herum, unter mir fĂ€hrt ein Schiff durch, ich wanke, falle und schlage hart auf! Das ist die Lösung! Ich hab beim Aufschlag mein GedĂ€chtnis verloren!

© S. Pomej 2023-01-30

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