Noch ein paar Schaufeln, dann ist das Werk vollbracht. Zwei tiefe Löcher hat er in den Waldboden gegraben. Eines hier direkt auf der Lichtung, das andere etwas tiefer im Wald, aber in Sichtweite. Sicher ist sicher. Zwei frische Erdhaufen in unmittelbarer Nachbarschaft würden Verdacht erregen.
Die beiden Damen, für die die Erdhöhlen gedacht sind, warten artig. Die eine mit deutlichen Verwesungsspuren, die andere noch frisch und blutverschmiert.
Damals, als er im Freudentaumel die Lichtung verließ, kam ihm nicht in den Sinn, dass er sein Werk möglicherweise vor fremden Blicken schützen müsse.
Nachdem er lange genug in diesem Gefühl der Befreiung gebadet hatte, zog es ihn zurück an diesen magischen Ort. Er sah sie schon von weitem. Das musste behoben werden.
Also besorgte er sich die nötigen Geräte und machte sich am nächsten Morgen früh auf den Weg. Er fuhr einen kleinen Umweg, um seinen dunkelblauen Golf an einer nahe gelegenen Tankstelle aufzutanken. Dort begegnete ihm eine Frau, die eine Mitfahrgelegenheit suchte. Ihre Fahrgemeinschaft hatte sie versetzt. Er zögerte nicht lange und nahm sie mit. Das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden, war einfach zu verlockend.
Sie muss gemerkt haben, dass etwas nicht stimmte, als er in den Waldweg einbog, anstatt die vereinbarte Route zu nehmen. Als sie auf seine immer panischer werdenden Bitten, sofort umzukehren, nicht reagierte, sprang sie sogar aus dem fahrenden Auto. Ein Fehler.
Bei dem Sturz verletzte sie sich am Knie und war somit leichte Beute. Mühelos gelang es ihm, sie wieder einzufangen, vollends ruhig zu stellen und sie zu dem ihr bestimmten Ziel zu fahren. Und hier sind sie nun.
Bewaffnet mit Handschuhen und Atemmaske schleppt er die Erste zu ihrem Grab. Eifrig beginnt er, das Loch wieder zuzuschaufeln. Als er fertig ist, ist die Zweite verschwunden.
Sein Herz beginnt zu rasen. Nach all der harten Arbeit wäre es unerhört, wenn sie ihm entkommen würde. So ein Grab auszuheben ist kein Spaziergang.
Er schmeißt die Schaufel weg und beginnt die Lichtung abzusuchen. Lange braucht er nicht, da sieht er sie zwischen den Bäumen humpeln. Sie bemerkt ihn, rennt los, stürzt. Steht wieder auf, versucht weiterzulaufen. Schreit um Hilfe. Doch alle Bemühungen sind vergeblich.
Seine sind es nicht. Schließlich liegt auch sie erdbedeckt in ihrem Grab. Ruht nach all der Aufregung. Da kommt ihm eine Eingebung: Wäre es nicht schön, wenn sie einen Wächter hätten? Einen Baum, dort, wo jetzt die kahle, aufgeworfene Erde ist. Der Gedanke gefällt ihm. Und so geschieht es.
© Katharina Trautvetter 2024-07-25