by Lorenz Graf
Seit sieben Uhr in der Früh saß ich im Gang des Krankenhauses. Einsam und von meiner Frau verlassen harrte ich der schrecklichen Dinge, die auf mich zukommen würden. Ein chirurgischer Eingriff am Auge sollte vorgenommen werden. Nichts Aufregendes und Gefährliches versicherten mir die Medizinmänner. Ich hatte da so meine Zweifel. Aber bevor ich flüchten konnte, wurde ich abgeholt, auf einer Liege platziert und in einen Operationssaal geschoben. Ich wartete, dass endlich das medizinische Massaker beginne, doch da war alles schon vorbei. Die Operation hatte ich ganz gut überstanden. Na ja, Operation ist vielleicht etwas übertrieben. Es war ein kleiner Eingriff am Auge. Er dauerte nur wenige Minuten und war schneller vorbei als sich die Angst in meinem Körper ausbreiten konnte. Am Nachmittag wurde ich heimgeschickt.
Aber nach Tagen hat sich herausgestellt, dass sich mein Augenlid einrollt und die Wimpern dadurch am Glaskörper kratzten. Ich wurde zu einer Besprechung ins Spital eingeladen. An dem nämlichen Tag ging meine liebe Frau mit mir ins Krankenhaus. Ich ging neben ihr, brav und folgsam, so wie es auch unser Hund “Aladin” tut, meistens zwar nicht, aber doch gelegentlich. Der hängt ja auch an der Leine, ich brauche das nicht. Ich folge ja aufs Wort. Es hatte einen Grund, dass meine liebe Gattin mich begleitete. Zu groß war die Gefahr, dass ich gar nicht bis zum Arzt vordringe, sondern mich irgendwo in der Stadt verirre oder den falschen Bus erwische und so den Termin verpasst hätte.
Dank der liebevollen, keinen Widerspruch duldenden Begleitung kam ich im Spital rechtzeitig an. Doch erst hieß es einmal warten, eine kleine Ewigkeit, wie mir schien, bis ich aufgerufen wurde. Meine liebe Frau führte mich hinein zum Mann der Medizin. Nach einer Untersuchung, es hat gar nicht weh getan, folgte eine ausführliche Information durch den freundlichen Arzt, von der ich nur einiges mitbekam. Etwas in mir weigerte sich seinen Ausführungen genauer zu folgen. Bruchstücke schnappte ich dennoch auf: Hier ein kleiner Schnitt, da ein Eingriff, hier eine Straffung, dann alles an der Beinhaut des Jochbeins annähen und fertig.
Meine liebe Gattin und der Arzt führten dagegen ein intensives Gespräch, das mich aber nicht sehr begeisterte. Zeitweise schaltete ich sogar meine zuhörende Aufmerksamkeit ab. Als ich dann doch wieder was aufschnappte, sagte ich, um mich abzulenken, zum Medizinmann:”Herr Doktor, wenn sie das alles machen an mir, werde ich mich dann gegen den Ansturm der vielen Frauen noch wehren können?”
Stille. Der Arzt schaute mich etwas überrascht an und lachte dann los: “So schlimm wird es nicht werden.”
Wieso kann er das wissen? Entweder hat er wenig Vertrauen zu seiner Schönheitsoperationkunst oder er hat schnell einen Blick auf die Unterlagen geworfen und mein Geburtsdatum entdeckt.
Total verunsichert suche ich eine Antwort auf diese Frage.
© Lorenz Graf 2021-04-23