by Martina Süss
Ich bin so müde.
Der Schlaf greift nach mir mit knochigen, nebeldünnen Fingern, erhascht bloß den dicken Mantel der gespielten Belastbarkeit, reist ihn herab über die Schulter und entblösst den dünnen Hals, welcher leise, kaum merklich atmet. Das Blau der Augen bedeckt vom Staub der Bücher, grau und matt.
Was liegt auf den Schultern? Was drückt sie hinab, so tief, bis man schreit vor Schmerz?
Die Menschen spielen draußen Theater, rufen mir Namen, Worte, Erinnerungen, Uhrzeiten zu, alle durcheinander, von allem ein wenig, doch zu wenig, um genug zu verstehen.
Panisch umherblickend, der Hals schmerzt, nichts ist greifbar, die Hände abgeschlagen, immer fort verfolgt von der schrecklichen Müdigkeit mit ihren sandigen Schlingen, sich streckend nach der rauen Haut, nie schreiend, leise und heißer ist ihre Stimme. Bloß ein Krächzen.
Um mich so unendlich viel Platz, doch vollgeräumt, zugeklebt mit Dingen, an Unwichtigkeit einander übertreffend, auf mich hereinbrechend, mir jeden Ausgang versperrend. Eingesperrt, heißer kreischend, ohne Hände an den Gitterstäben rüttelnd, rote Tränen weinend.
Die Kälte in meiner Brust ist ein von Schneeflocken gezeichneter Wind. Er weht in einem fensterlosen Raum.
Und du bist mein Wärter.
Erbarmungslos, nicht zu erweichen, nicht zu berühren, lässt du mich zittern und die Wände immer näher auf mich zuwandern. Ich schreie dir zu, strecke dir meine knochigen Arme entgegen, bitte, du sollest fortgehen oder dich erweichen und die schwere Eisentüre mit den hundert Uhren öffnen. Und mich befreien. Doch ohne eine Regung stehst du dort.
Du weißt, dass du nicht öffnen kannst, den Wind nicht zum Erliegen bringen kannst, weil ich doch die Tür verschlossen halte. Von innen verschlossen. Und ich rufe erneut, so leer klingend deinen Namen aus meiner röchelnden Kehle, welche längst aufgehört hat, an etwas anderes als an dich zu glauben, rufe deinen großen, deinen fetten Namen: Ego.
© Martina Süss 2021-08-15