Schwangerschaftsabgang

Sonja Skok

by Sonja Skok

Story

Beim Tantrischen Sommerfest war ich ganz selbstverständlich in der Gruppe der Mütter gelandet. Hier ging es um die Themen Hingabe, bedingungslose Liebe, Herzöffnung und darum Dinge zu tun, die nährend für mich sind. Mir wurde plötzlich klar, dass ein totales Einlassen auf diesen Bereich bedeuten würde, meine Arbeit herunterzufahren. Mit dem Studio hatte ich mich lange Zeit körperlich und geistig überfordert. Viele Tätigkeiten entsprachen mir nicht. Die alleinige Verantwortung zu übernehmen, stresste mich schon lange. Ich wollte mehr mit Menschen arbeiten, weniger mit Schreibkram und Verträgen. Jetzt wünschte ich mir ein entspanntes Familienleben, bevor es zu spät ist. Ich beschloss ab jetzt mit Genuss schwanger zu werden und loszulassen. 

Mein Wunsch wurde mir erfüllt. Nach einigen Monaten war ich endlich schwanger und schwebte auf Wolke sieben. Nun gehörte ich auch zur Gruppe der Mütter. Es fühlte sich wunderbar und leicht an. Für mich war es ein bislang unbekanntes Gefühl von innerer Lebendigkeit und Vorfreude. Allerdings dachte ich nicht daran, mich zu schonen oder etwas langsamer zu werden. Ich war es gewohnt, dass mein Körper funktionierte. So unterrichtete ich weiterhin eine Vielzahl an Kursstunden pro Woche. Ich hatte durch die Schwangerschaft unendlich viel Energie bekommen.

Plötzlich geschah es, als ich in der Toilette das reichliche Blut sah. Panik ergriff mich! Der Schwangerschaftsabgang war unaufhaltsam. Ich stand unter Schock. Die Prozedur des Ausschabens in der Klinik fühlte sich an wie ein Übergang vom Leben zum Tod, von lebendiger Vitalität zum eingefroren sein. In diesem Moment fühlte ich mich vollkommen nutzlos und unermesslich traurig. 

Gleichzeitig war der Schock ein Wachrüttler, den ich zum Glück schnell erkannte. So konnte mein Leben in Zukunft nicht weitergehen. Plötzlich erinnerte ich mich wieder an das Frauenseminar und meinen damaligen Entschluss herunterzufahren. Auch kam mir ein Moment im Studio, kurz vor dem Abgang in den Sinn. Ich hatte plötzlich beim Unterrichten keine Luft mehr bekommen, die totale Brustenge und innere Angespanntheit. Ängste kamen hoch, wie damals nach dem Skiunfall. Ich war kurz vor dem Umkippen, war es aber gewohnt, mich zusammenzureißen und mir nichts anmerken zu lassen. Schwäche zeigen, das ging für mich nicht. Beim Unterrichten wollte ich immer, dass alle zufrieden sind. Doch das ist ja unmöglich! Sobald mir bei anderen etwas auffiel, wollte ich helfen und direkt mein ganzes Wissen teilen. Ich ignorierte, dass ich damit sowohl mich selbst als auch andere regelmäßig überforderte. 

Mein inneres Wissen sagte mir ganz klar: Du musst das Studio aufgeben, wenn du glücklich sein willst. Du hast es dir eh anders vorgestellt! Im Grunde genommen willst du frei sein, bist es aber nicht. Es bringt dir zwar viel Geld und auch zeitweise Erfüllung, doch es ist auch ein Klotz am Bein, das dich an diesem einen Ort festhält. Du fliegst doch so gerne wie ein Schmetterling herum und liebst es an verschiedenen Orten zu sein. Und wenn du ehrlich zu dir selbst bist, dann beneidest du heimlich andere Yogalehrerinnen, die an verschiedenen Plätzen unterrichten und Seminare am Meer machen. 

© Sonja Skok 2024-02-19

Genres
Spirituality, Self-help & Life support