Fernsehen ist voll unser Ding. Je nach Programm darf ich länger aufbleiben. Meine Eltern und ich vor der Flimmerkiste, so habe ich die Abende meiner Kindheit in Erinnerung.
Schwarzwaldklinik mag ich. Die Titelmelodie ist so schön und außerdem bin ich in Sascha Hehn verknallt bzw. will ich so werden wie Schwester Elke. Das Schönste ist aber, dass meine Mama den Abspann vorliest. Und zwar genauso schnell, wie er da vom Bildschirm schneit.
Die glückliche Familie mag ich auch. Maria Schell und Sigfried Rauch als Eltern. Tami, die jüngste Tochter, hat im Vorspann diesen markanten Seitenzopf und sagt: „Wir kaufen nichts!“, als es an der Tür läutet. Das wird meine Singnature Line. Am Liebsten wäre ich wie Alex, die ist schon so erwachsen.
Wir schauen Der Bergdoktor, die Carry on, ist ja irre-Filme, sehen Der kleine Vampir, Der Stein des Marco Polo oder Winnetou. Bemerkenswert: wie brutal Kinderprogramm sein kann. Bambi verliert seine Mutter, Puschel das Eichhorn hat auch keine Eltern. Und Perrine scheißt das Schicksal 24/7 so richtig rein.
Als ich ganz klein bin, kommt Am Dam Des im ORF. Die Clowns zu Beginn jagen mir eine Heidenangst ein. Ich kann kaum hinsehen. Heinz Zuber ist der Clown Enrico. Niklas hingegen ist Ein Junge aus Flandern.
Wenn ich krank bin, lerne ich mit meiner Mama und Lisa Schüller Russisch. Wenn sie “Dobry dien” sagt, habe ich sofort das Gefühl, ich hätte meine Hausaufgaben vergessen oder, schlimmer noch, eine Bank ausgeraubt. Es war einmal … das Leben bzw. … der Mensch bringen mir mehr bei als der Bio- und Geschichteunterricht der gesamten Unterstufe.
Die Fraggles sind alles für mich, auch Batman und Roman finde ich legendär. Wie die Sprechblasen über den kleinen Schwarzweißbildschirm flimmern. Bam! Paw! Alf ist toll, ich will auch so einen als Mitbewohner haben.
Später haben es MacGyver, Star Trek, Eine himmlische Familie, Party of five und Knight Rider es mir angetan. Ich weiß noch, dass meine Nachbarin mir den Soundtrack überspielt und zu Beginn aufs Band quasselt. Bei der ganzen Bandbreite an Kinderprogramm weiß ich gar nicht, wie ich das mit den Hausübungen hinbekommen habe. Gefühlt habe ich immer ferngesehen.
Vor der Matura sind es die Teletubbies, die nach der Schule über den Bildschirm tanzen. „Ao!“
Ich bin 17 und Papa ist auf Außendienst. Mama und ich beschließen, endlich Kabelfernsehen anzuschaffen. Auf seinen Nacken, versteht sich. Papa kommt retour, setzt sich genüsslich in seinen Sessel. Er schnappt sich die Fernbedienung und Mama sagt nicht ohne Stolz: „Zapp doch mal weiter!“
Papa zappt durch die Kanäle und das Angebot will kein Ende nehmen.
„Hat die Steffi da wieder was verstellt?“ sagt er.
Die Eltern von heute sind undankbar.
Die Jugend von heute hingegen schaut kaum noch fern. Sie wird vor Netflix, YouTube und Co. abgestellt. Dieses Gemeinschaftsgefühl, jeder schaut um 20:15 das Selbe, das gibt es nicht mehr.
© Stefanie Höring 2022-08-10