Kein Lachen mehr, wenn ich versucht habe, mit ein bisschen Schmäh mein Schwesterl aufzuheitern. Keine Diskussionen über politische Entscheidungen, kein Leutausrichten, wie sie immer sagte. Sie ist friedlich entschlummert.
Wie liebte sie ihr Haus in der Ödmühle nahe Rappottenstein! Ganz idyllisch am Ritterkamp gelegen. Bewusst von ihr und ihrem Mann Otto ausgesucht. Beide ungewöhnliche Naturliebhaber! Wenn auch das Haus schon in die Jahre gekommen war, sie fühlten sich beide dort in der Abgeschiedenheit unheimlich wohl. Die Tiere des Waldes kamen bis ans Haus und Otto fütterte die Fische im Fluss. Das ging so weit, dass vor allem Forellen so zutraulich wurden, dass er sie aus dem Wasser nehmen konnte, um sie den manchmal vorbeikommenden Schülern zu zeigen. Eine Forelle, er nannte sie “Hugo”, war so vertraut, dass er sie streicheln konnte. Ich sah es selbst!
Als meine Schwester älter wurde, konnte sie ihren Mann überreden, eine Wohnung in Rappottenstein direkt zu beziehen, weil es immer beschwerlicher wurde, zum Arzt oder einkaufen zu fahren. Später erkrankte mein Schwager schwer und meine Schwester pflegte ihn aufopfernd bis zum Schluss. Er ließ auch im Krankenhaus nur seine Frau zur Betreuung ans Bett. Und Friedl, selbst durch Operationen an Hüfte und Knie ziemlich beeinträchtigt, wich nicht von seiner Seite.
Ein besonderes Bedürfnis war ihr der tägliche Besuch des Gasthauses zu Mittag. Dort hatte sie ihren Stammplatz und traf Bekannte und Freunde. Konversation hatte eine große Bedeutung. Als mein Schwager 2016 starb, besuchte sie trotzdem mit Krücke die Gaststätte zu Fuß; und es waren immerhin ca 300 m! Ab diesem Zeitpunkt fuhren meine Frau und ich zumindest einmal in der Woche nach Rappottenstein, um mit ihr zu Mittag zu essen und ein wenig zu plaudern. Das Kurzzeitgedächtnis war zwar ziemlich eingeschränkt, doch von früheren Ereignissen erzählte sie gerne, und manches war auch mir fremd. Dabei kam sie immer wieder auf unsere Mutter zu sprechen, die uns allen ein großes Vorbild war.
EinesTages kam schon sehr früh ein Anruf: “ Du, ich bin aus dem Bett gefallen, schicke mir jemanden!” “Liebes Schwesterl”, sagte ich,”ich kann dir nur die Rettung schicken!” Diese traf auch sehr bald ein. Zum Glück war nichts Schlimmes passiert. Nachher rief sie mich an und meinte: “Wenn ich gewusst hätte, dass die Burschen beim Roten Kreuz so hübsch sind, wäre ich schon früher aus dem Bett gefallen!” Das sagte meine 90-jährige Schwester und für diesen Humor liebte ich sie!
Dieses Ereignis war aber der Grund, dass ich sie davon überzeugen konnte, unbedingt eine 24-Stunden-Betreuung anzufordern. Als immer Selbständige war es nicht leicht für sie, sich an andere zu gewöhnen. Sie meinte: “Feldwebel bin ich und es geschieht das, was ich will!” Letztendlich hatte sie wunderbare Betreuerinnen, die ihr sehr ans Herz gewachsen waren.
Weißt du, warum ich dich nie vergessen werde? Ich habe deine Stimme im Ohr, dein Bild im Kopf und dich im Herzen!
© Hannes Zeisler 2021-04-15