Seelenverschmelzung

Wir gingen noch zur Schule, bereiteten uns auf das Abitur und den Abschlussball mit Tanzkurs vor. Ich hatte Glück – aufgrund der Grösse wurde mir Anna als Tanzpartnerin zugeteilt. Ein total nettes, unkompliziertes Mädchen, sehr hübsch, groß, ohne Starallüren und Zicken. Wir hatten nur wenige Mädchen in unserer Klasse – Anna wurde von allen Burschen bewundert. Ein Merkmal, das nicht nur mir aufgefallen war, war ihr wunderschöner, markanter Venushügel unter den engen Jeans – das war etwas ganz Besonderes. Für Anna war die Zuteiltung rein tänzerisch eine Katastrophe, da mir eigentlich jedes Taktgefühl für Musik fehlte.

Ich bemühte mich redlich und merkte allmählich, wie Anna sich mehr und mehr anschmiegte und den Tanzunterricht trotz aller Mühen mit mir genoss. Es war ein feines Gefühl und machte mich außerordentlich stolz. Kurz vor Abschluss des Tanzkurses ging der ganz Kurs noch ins nahe gelegene Cafe, um noch etwas zu feiern. Beim Abschied schaute mich Anna an, wie das nur verliebte Mädchen und Frauen tun können. Man kann es nicht beschreiben. Es ist, als wenn sich nicht zwei Körper, sondern zwei Seelen für eine undefinierte Zeitspanne verbinden und eins sind. Die Kopplung erfolgt über die Augen – es hat nichts mit Sex, Geilheit oder Besitztum zu tun – es ist eine höhere Ebene, die man nicht beschreiben kann und die man im Leben wahrscheinlich nicht oft zu spüren bekommt. Es ist ein geistiges und glückliches Verlieren ineinander, das als großes Geschenk empfunden wird und nicht von Dauer sein kann, da es dann auch nicht zum Aushalten wäre. Vielleicht ist es ein kurzer Blick in den Paradiesgarten ohne Sorgen, ohne Mühen, ohne Alltag. Zufrieden und glücklich gingen wir an diesem Tag auseinander und mir war trotz des Glücksgefühls klar, dass ich Anna nicht gewinnen konnte. Sie stammte aus einem sehr gut situierten Haus mit total netten Eltern. Rein intellektuell konnte ich mindestens gleichhalten, mein Elternhaus war jedoch mit dem Anspruch, der von den Eltern für Töchter aus höheren Gesellschaftsschichten gestellt wurde, nicht in Einklang zu bringen. Nach dem schönen Abschlussball schaute ich dazu, dass sich keine innigere Beziehung entwickelte, und so sind wir heute noch gut bekannt, befreundet und mögen uns. Sie hat dann einen anderen Kollegen aus unserer Abschlussklasse geheiratet, der einem passenden Umfeld entstammte und ist sicher glücklich geworden. Für mich ist der Augenblick dieser Seelenverschmelzung bis heute wie ein kostbarer Diamant – immer noch sehe ich ihr strahlendes Gesicht vor mir!