Silberhochzeit in Corona-Zeiten

Irene Hülsermann

by Irene Hülsermann

Story

Der Plan war, dass wir unsere Silberhochzeit nur zu zweit feiern. Sozusagen eine Hochzeitsreise. Damals als wir heirateten, fuhren wir für eine Woche spontan in die Toscana – ohne genaues Ziel und mit unserem sieben Jahre alten Sohn. So bedeutsam die Hochzeitsreise war, diesmal sollte es eine Traumreise zu zweit werden. Dann kam Corona. Okay, also keine Reise, dann vielleicht eine klitzekleine Feier… auch nicht. Dann eventuell ein Restaurantbesuch im Kreis der kleinen Familie, folglich fünf Personen … auch nicht. Mein Mann war traurig, fragte mich, was ich mir wünsche. Ich sagte, wir holen alles nach, irgendwann.

Wir haben uns im Autohaus kennengelernt, in dem ich arbeitete: Als ich ihn sah, wusste ich sofort: Das ist er! Er dagegen verliebte sich in einen Lancia Integrale. Er bekam das Auto, ich bekam ihn. Das Auto hatte nach zwei Monaten einen Motorschaden, ich blieb!

Hier spielte eindeutig das Schicksal eine große Rolle, denn durch viele Missverständnisse hatten wir de facto ein Date. Und obwohl ich zehn Jahre älter bin und bereits einen Sohn hatte, ließ er sich nicht abschrecken. Zunächst. Nach sechs Wochen machte er mit mir Schluss. Ich war verzweifelt. Ahnte ich doch, dass er nach vielen katastrophalen Erfahrungen, die ich in 15 Jahren gemacht hatte, der Richtige für mich ist. Er muss es ebenfalls geahnt haben, den einen Tag später bat er mich um Verzeihung. Er hätte plötzlich Panik vor der Verantwortung gehabt. Ich verstand ihn. Er war erst 25 Jahre alt.

Weitere zwei Wochen später, wieder durch ein kleines Missverständnis, fragte er mich, ob ich ihn heiraten möchte. Und ich sagte: „Ja!“ Die Meisten hielten uns für verrückt. Aber genau ein Jahr nach dem ersten Date heirateten wir. Hinterher habe ich erfahren, dass auf der Hochzeit Wetten abgeschlossen wurden, wie lange die Ehe hält.

Am Morgen unserer Silberhochzeit sagte mein Mann, ich müsse im Bett bleiben, bis er mich riefe. Also wartete ich. Wieder einmal gelang ihm eine Überraschung: Er hatte eine Strandmuschel mitten ins Wohnzimmer aufgestellt. Darin lagen Kissen und Decken, brannten Kerzen und ein offener Picknickkorb stand bereit. Im Hintergrund lief meine Lieblingsmusik. Es war ausgesprochen romantisch, als wir auf den Kissen saßen, von den Leckereien naschten und uns intensiv unterhielten.

Trotz der Kälte, aber bei strahlendem Sonnenschein, genau wie vor 25 Jahren, spazierten wir anschließend durch einen Wald und schwelgten erneut in der Vergangenheit. Ein emotionaler Tag braucht einen ansprechenden Abschluss. Unsere Kinder wollten am Abend vorbeikommen: zum Ratschen, Essen und Karten spielen. Demzufolge fingen wir mit dem gemeinsamen Kochen an: Selber gemachte Spaghetti für die carbonara und römische supplì, das sind frittierte Reisbällchen. Was soll ich sagen – gibt es eine schönere Art Silberhochzeit zu feiern?

© Irene Hülsermann 2021-03-15

Hashtags