‘Sinnlos ist viel und nichts sinnloser als diese Geschichte’ zieht der Chor in ‘Biedermann und die Brandstifter’ sein Resümee. Dieser Satz kommt mir in den Sinn im Zuschauerraum des Lendbräu-theaters in Schwaz. ‘Das Letzte Band’ von Samuel Beckett wird gespielt. Beckett ist bekannt für absurdes Theater, wie ‘Warten auf Godot’, das auch schon hier grandios gespielt wurde. Es geht um das Innenleben eines Menschen, nicht um die äußerliche Welt, was sich im kargen Bühnenbild spiegelt. Die Geschichte ist schnell erzählt und dauert doch fast unerträgliche 75 Minuten. Über eine Stunde Aussichtslosigkeit, Lethargie, Trostlosigkeit und Sturheit. Es macht mich aggressiv. Ich will es nicht sehen. So viel Hässlichkeit, so viel Sinnlosigkeit, letztendlich so viel Traurigkeit. Sinnlosigkeit hat zu tun mit Wertlosigkeit. Wenn ich keine Werte habe, erkenne ich keinen Sinn im Dasein. Und doch gibt es Freiheit – zu bleiben oder zu gehen, den Raum verlassen, sich umbringen, sich ins Vergessen zurückziehen. Das ist der Weg, den der alte, einsame, kranke Mann geht. Er stellt sich nicht der Welt und anderen Menschen. Man könnte sagen: Er stirbt so wie er gelebt hat. Aber das ist banal und eigentlich ungerecht. Wir erfahren gar nicht viel von seinem früheren Leben. Die Tonbandausschnitte, an denen er hängt, also doch noch einen Wert haben, geben nur einen Eindruck von seinen Trinkgewohnheiten und einer berührenden Liebesgeschichte. Und da ist der Haken, nicht einmal diese Erinnerung bringt ein Lächeln auf sein Gesicht und doch hört er sie sich wiederholt an. Natürlich spielt Pepi Pittl gekonnt, natürlich ist die Regie von Markus Plattner meisterhaft. In grotesken Bewegungen und einem grandiosen Mienenspiel wird uns die Situation dieses Menschen vor Augen geführt. Wie eine Spinne in ihrem Netz lauert er auf irgendetwas und weiß nicht einmal was. Immer wieder das Tonbandgerät, das die Verbindung zum Leben herstellt. Ein kurzer Moment der Berührung, wie er es streichelt, nein, auch das hat etwas Lauerndes, Hässliches, Unerträgliches.
Und dann gibt es sie doch die Poesie, die Schönheit – der Ring. Der Ring, der überdimensional von der Decke hängt und in alle Richtungen kreist und schwingt. Mehrfach hat Markus dieses einmalige Bühnenrequisit schon in den Blick gerückt. Diesmal ist er mit Efeu geschmückt – erinnert mich hier an einen Grabkranz. Wann immer Herr Krapp sich in den Ring zurückzieht, blitzt eine Ahnung von Geborgenheit auf. Und die Musik – passend lyrisch-morbide Lieder von Ernst Molden. – Zeit zum Aufatmen.
Ich habe mich in letzter Zeit aus gegebenem Anlass – mein 78ister Geburtstag – mit dem Alter beschäftigt und mir erlaubt, ehrlich zu sein: ‘Ist es wirklich schon so spät …’ Zeit zum Abschminken und nicht Schminken – wie am Anfang des Stückes. Aber auch das zeigt schon die Absurdität, die wir nun mehr als eine Stunde aushalten müssen. Allerdings kompensiert die wunderbare Musik von Gilmore die sinnlose Handlung zu Beginn. Das übertriebene Bananenessen, das Wegwerfen der Bananenschale und dafür die schlechten Menschen beschuldigen, das sinnlose Suchen in Regalen und Schubladen. Nein, ich will es mir eigentlich nicht ansehen und doch hat es auch etwas zwingend Faszinierendes. Es wird eine Zeitlang dauern, bis ich wieder mit Genuss eine Banane essen kann.
© Christine Sollerer-Schnaiter 2025-03-02