Skandinavischer Flair

Sarah Vinkelau

by Sarah Vinkelau

Story

Zwei Stunden dauerte der Flug nach Norwegen. Als wir über das Land hinweg flogen, war ich wie gebannt. Ich konnte meine Blicke nicht mehr vom Fenster wegbewegen. Wenn das Land von oben schon so schön aussah, wie musste es dann wohl vom Boden aussehen? Das Flugzeug landete und ich machte mich auf den Weg zu der Gepäckausgabe. Die Schilder, an denen ich vorbeilief, konnte ich alle nicht lesen, aber ich folgte einfach den Leuten, die auch in meinem Flugzeug saßen. Nach gefühlt einer halben Ewigkeit konnte ich den Flughafen samt meinem Koffer verlassen. Jetzt brauchte ich nur noch eine Mitfahrgelegenheit, die mich zu der Anwaltskanzlei bringt. Ich lief an ein paar geparkten Autos vorbei und suchte nach eines, das aussieht wie ein Taxi. Aber ich fand keins. Haben die hier etwa keine Taxis? Plötzlich blieb ein junger Mann vor mir stehen.

„Hallo, sind Sie Frau Krüger?“, fragte er mich und sprach meinen Namen mit einem ungewohnten Akzent aus. Es hörte sich fast schon komisch an. Ich nickte aber. „Ja, das bin ich“, bestätigte ich mein Nicken nochmal nur um sicherzugehen, dass er das auch verstanden hat. Er griff nach meinem Koffer. So schnell wie er danach gegriffen hatte, konnte ich nicht begreifen, was er überhaupt vorhatte.

„Was tun sie da?“, fragte ich und lief ihm hinterher. „Ich werde sie zu dem Hof von Jane Winkler bringen. Das ist doch ihre Oma, oder?“ Jetzt wurde mir einiges klar. Wieso sagt er das auch nicht sofort, bevor er anfängt meine Sachen, ohne Vorwarnung wegzunehmen. Er schloss den Kofferraum und öffnete wie ein Gentleman die Beifahrertür, damit ich einsteigen konnte. Er fuhr wie ein irrer über die Landstraßen ungefähr eine halbe Stunde, bis wir über einen Schotterweg zu einem roten Skandinavischen alten Haus kamen. Mir blieb der Atem weg. Wenn das wirklich das Haus von meiner Oma war, dann kann ich verstehen, warum sie nicht zurück nach Deutschland gekommen ist. Ein Mann wartete bereits auf der Verander, an der Haustür. Er war schick gekleidet und hielt einen Block in der einen und eine Aktentasche in der anderen Hand.

„So da sind wir“, sagte der Mann, von dem ich immer noch nicht wusste, wie er eigentlich hieß. „Danke …“, fing ich an, ließ extra eine lange Pause und hoffte inständig, dass er mir nun seinen Namen verriet. „Börre“, antwortete er und streckte mir nun sogar seine Hand entgegen. Ich lächelte. „Danke, Börre? Ich habe deinen Namen jetzt bestimmt falsch ausgesprochen“, sagte ich, lächelte und guckte etwas beschämt zu Boden. Er schüttelte, ebenfalls mit einem Grinsen im Gesicht, den Kopf. „Nein, das war schon richtig. Börre ist ein typisch norwegischer Name und bedeutet: der Berg. Leider aber auch: der Helfer“, erklärte er, während er meinen Koffer aus dem Kofferraum hob. Der Mann von der Verander kam hinunter. „Guten Tag Frau Krüger. Ich bin Nilas Hansen, der Anwalt ihrer Oma Jane. Ich würde gerne alles Weitere mit Ihnen Besprechen“, sagte er, streckte mir seine Hand entgegen und begleitete mich dann in das alte Wohnhaus.

© Sarah Vinkelau 2021-04-27

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