So ein Ärger aber auch!

Barbara Pachl-Eberhart

by Barbara Pachl-Eberhart

Story

Wut, die hochkocht, lässt sich auch löschen. Eine Tatsache, die ich mir zunutze machen will.

Heute suche ich etwas, worüber ich mich ärgern kann. Ja, wirklich: Ich will mich erregen! Über das Wetter vielleicht. Über den Fleck auf dem Tischtuch. Oder die Uhr, die schon zehn zeigt, obwohl der Tag doch gerade erst begonnen hat.

Oh, das wird schön, wenn ich mich aufregen werde. Denn dann bin ich so wie mein Kind, von dem ich gestern etwas lernen durfte, das ich in Zukunft beherzigen mag. Sie kann das nämlich: sich schrecklich zu ärgern.

Gestern hat sie es mir wieder bewiesen. Denn da war das Wetter so schön, dass wir nach dem Kindergarten in den Park gegangen sind. Und so heiß, dass wir mit begründeter Hoffnung auf den Eiswagen hofften, der da neuerdings an sonnigen Tagen steht, der, bei dem man gefrorenes Fruchtmus am Stil kaufen kann. „Krieg ich heute Erdbeer?“, fragte mein Mädchen, ich sagte ja. Und dann … kamen wir an, im Park, in der Realität.

Kein Eis weit und breit. War es doch nicht heiĂź genug? Oder zu frĂĽh – oder zu spät?

Mein Kind bekam Wut. Die Art von Wut, die zuerst hochkocht (ich spĂĽre die Welle, spĂĽre die Wucht, die ihr Inneres aufschäumt) und sich dann zu entladen beginnt. „Du bist blöd“, schimpft sie dann. SchmeiĂźt mit Steinen, mit Stöckchen, beginnt mich zu hauen, beiĂźt in meinen Pulli – das kann sie schon, statt in meine Haut. Sie flucht, schreit herum. Bis sie weint.

Manchmal gibt es (in der Phase des Hauens und Beißens) Streit, wenn meine Nerven geschwächt sind. Aber öfter halte ich durch, bis das Weinen beginnt. Ich halte, halte, und warte, still. Denn nichts, was ich vorschlagen würde, wäre so gut wie das, was meiner Tochter von selbst einfällt, sobald sie wieder denken kann. „Weißt Du was, Mama, wir gehen jetzt heim und schauen in die Schoko-Lade“, sagte sie gestern.

Zehn Minuten später mampften wir froh. Der kindliche Zorn war vorbei, ganz verschwunden. Ich bemerkte, dass ich neidisch war. Denn mein eigener Ärger – über das, was ich nicht schaffe, die Zahl auf der Waage, die Schwere der Zeit – ist anders. Konstanter. Er lässt sich nicht lösen. Das Einzige, was ich tun kann, ist ihn zur Seite zu schieben, das kostet Kraft und befriedigt mich nicht.

Ich glaube, ich werde ihn tauschen. Gegen heißen, hitzigen Zorn. Ich suche mir Ärger, nein: Ärgernisse, die lauter sind als der stetige Groll. Ich übe: zu fluchen, zu fauchen. Und dann eine Lösung zu finden. Schokolade. Oder eine Pause mit Sonne und Atem. Wer weiß: Wenn der Ärger verraucht, vielleicht nimmt er ja von den leiseren Sorgen, die in mir wohnen, ein paar Quäntchen mit.

© Barbara Pachl-Eberhart 2022-04-24

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