Justament. Unbedingt. Meine Zwillingsschwester Gertrud und ich mussten ein Musikinstrument lernen. Papa hatte sich das in den Kopf gesetzt. Seine Begründung lautete: In Krisenzeiten könnten wir dann in Grinzing beim Heurigen aufspielen. Keine zehn Pferde hätten uns zu so einem Unterfangen gebracht.
Jedenfalls fingen wir bei Professor Stradner mit Trommel, Flöte und Gitarre an. Später quälten wir Harmonikas. Im Nachhinein tat mir der freundliche und gutmütige alte Herr schrecklich leid. Er merkte ja, dass wir keinerlei Interesse hatten. Das sagte er auch unserem Vater. Nix hat es geholfen. Von Papas Seite aus gab es kein Erbarmen. So fingen wir meistens eine Stunde vor der Unterrichtseinheit an zu üben. Klar, dass da nichts weiterging. Später lernte Mama, an unsrer statt, bei Herrn Professor, allerdings Zither. Leider war sie genauso wenig erfolgreich wie wir, aber wenigstens war sie mit Begeisterung und Eifer bei der Sache.
Als Gertrud und ich nach Wien ins Internat kamen mussten wir dort ebenfalls Harmonikastunden absolvieren. Aber auch Schwester Berchmana konnte uns nicht motivieren mehr zu üben. Einmal riss ihr der Geduldsfaden. Sie schnappte sich mein Instrument und spielte uns das Volksmusikstück vor, das wir hätten lernen sollen. Ich war so erstaunt, wie hübsch und flott und vergnüglich das klang! So etwas Lustiges und Munteres war weder meiner Schwester noch mir je zu Ohren gekommen. Zu Hause lief im Radio andere Musik. Dann drückte mir die gute Frau die Quetschen wieder in die Hand. Meine Melodie war so trostlos wie zuvor. Mit einem resignierten Seufzer sah Schwester Berchmana die Vergeblichkeit ihrer Liebesmühe ein. Resigniert gab sie uns die nächsten Hausübungen auf. Spätestens eine Stunde vor Beginn der nächsten Harmonikastunde werden Trude und ich wieder fleißig zu üben anfangen.
Epilog: Viele Jahre später entdeckte ich meine Zuneigung zur Volksmusik (nicht die volkstümliche Musik!). “Klingendes Österreich” und “Mei liebste Weis” wurden zu von mir heißgeliebte Fernsehsendungen. Im Burgenland gelandet entdeckte ich die Radiosendung “Fein sein einander bleiben”, sonntags um 9Uhr. Wer weiß, wie meine musikalische Biografie verlaufen wäre, hätten wir jemals daheim gemeinsam musiziert.
© Hedwig Kromer 2025-04-03