Weg 9: Solo-Wander-Glück

Annika Höller

by Annika Höller

Story

Das Wanderfieber hat mich erneut gepackt. Jetzt nicht mehr nur am Land, sondern eben auch in der Stadt. Rund um Linz. Seit ein paar Wochen sind die Linzer Stadtwanderwege nun fixer Bestandteil meiner Freizeit. Ein toller Mix aus Stadtdschungel, Naturerlebnis, historischen Schätzen und einmaligen Begegnungen. Und für mich eine willkommene Abwechslung zum Leben in der Mühlviertler Provinz, das ohne Reisen manchmal sehr eintönig sein kann.

Heute glänzt die Natur grüner als noch vor wenigen Tagen. In den letzten Stunden hat es immer wieder einmal geregnet. Und darüber spannt sich ein taubenblauer, verwaschener Horizont mit interessanten Wolkengebilden. Unten am Ufer der Donau beginnend, steige ich heute erneut einen der Linzer Hausberge empor. Ich lasse die Vorstadtidylle mit prunkvollen Häusern und violetten Fliederblüten hinter mir. Dann begleiten mich leuchtend gelbe Rapsfelder und zwischen den Halmen, ganz nah am Boden, blitzen die ersten, roten Mohnblumen hervor. Später dann eine betörende Weite. Fast wie auf einer Alm. Man überblickt große Teile Urfahrs, die gegenüberliegende Seite. Und hoch oben thront die Pöstlingbergkirche mit ihren markanten, spitzen Türmen. Dahinter die sanfte Hügellandschaft des Mühlviertels. Ich zücke die Kamera und fange die Umgebung ein.

Kurze Zeit später erreiche ich den Turm 13, ein Überbleibsel der einstigen Maximilianischen Festungsanlage, die Maximilian I im frühen 19. Jahrhundert rund um Linz erbauen ließ. Historische Bauwerke wie dieses, stille Zeugen einer anderen Zeit, faszinieren mich und ich stapfe einmal rund um das ringförmige Objekt herum. Ein paar Meter daneben, unter einer Reihe von Bäumen, entdecke ich eine Bank. Von hier aus überblickt man nun die andere Seite der Stadt. Stadion, Altstadt und bis zum Industrieviertel. Ich staune. Wieder einmal. Und bin froh, die Wanderung trotz der unbeständigen Wettervorhersage auf mich genommen zu haben.

Ein paar Meter rechts von mir entdecke ich eine weitere Bank, auf der sich ein Pärchen niedergelassen hat. Jünger als ich. Er in Jeans und T-Shirt und mit braunen Haaren. Sie ebenfalls in einem legeren Outfit und mit dem Handy am Ohr. Ihre Stimme ist so laut, dass ich das Gespräch mitanhöre. „Wir sind gerade unterwegs. Wir wollten eigentlich diesen Wanderweg gehen, aber wir haben jetzt noch nicht einmal die Hälfte und eigentlich eh keine Lust mehr. Also ja, wir fahren jetzt dann mit dem Bus zurück.“ Plötzlich ist da so ein Kribbeln. In meinem Nacken und an den Schläfen. Ein Zucken. Aber ich widerstehe der Versuchung, den Kopf zu schütteln. Stattdessen überkommt mich ein Gefühl von Erleichterung. Zum Glück bin ich alleine unterwegs. Zum Glück muss ich nicht irgendeinen Menschen mitschleifen, der das gar nicht will. Der diese Schönheit hier gar nicht sieht. Der nicht weiß, was Gehen bedeutet.

Und dann lasse ich meinen Blick noch etwas schweifen. Und pflücke mir ein paar süße Beeren dieses Solo-Wander-Glücks.

© Annika Höller 2021-05-16