Sorrent – Sant’ Agata

Christine Sollerer-Schnaiter

by Christine Sollerer-Schnaiter

Story
Süditalien 1973 – 1994

Und so genossen wir eine märchenhafte Zeit – Eisessen auf der Piazza Tasso, in riesengroße Fleischtomaten beißen, Pasta und Familia ohne Ende, abends in einsamer Zweisamkeit eng umschlungen auf den Klippen von Marina Grande nach Marina Piccola wandern – bezaubert von der Magie des Sonnenuntergang – Sonne und Salz auf der Haut und 14 Tage Endlosigkeit vor uns. Zitronenduft lag in der Luft und ich glaubte meinen Augen nicht, gleichzeitig Blüten und Früchte auf den Zitronenbäumen zu entdecken. Aus Übermut schrieb ich auf die obligatorische Urlaubskarte nach Hause: ‘Geld fertig, Pass verloren, Baby unterwegs’. Das war Gottseidank alles nicht der Fall, aber es drückte die Sorglosigkeit aus und so wurde es auch aufgefasst.

Kultur fand in dieser geschichtsträchtigen Gegend natürlich auch seinen Platz, bedeutete mir aber bei weitem nicht so viel wie jetzt im Alter. Ja, man musste Pompeji gesehen haben, Paestum besucht, Neapel gestreift und den Vesuv von allen Perspektiven betrachtet haben. Ja, und es war großartig. Als ich Jahre später, alle diese Sehenswürdigkeiten nochmals erleben durfte, hinterließen sie einen tiefen Eindruck, und es ist mein dringlicher Wunsch, wenn möglich nocheinmal einzutauchen in die Geschichten und Mythen der Antike. Natürlich sind wir auch die Amalfitana hinauf und hinabgefahren, diese berühmte Küstenstraße mit den malerischen Orten in bunter Vielfalt an die Felsen geklebt. Positano, Amalfi und Nerano. Positano ist berühmt für die Mode – ein blumiges Hängekleidchen im Sonderangebot einer Boutique bündelt die Erinnerung an dieses Märchen. Majolika ziert die Kuppen der Kirchen in Amalfi wie grüngelbe Wolken. Ich könnte noch lange weiter schwärmen.

Einige Jahre später, als wir Sorrent erneut besuchten, lebte Else, die Schwester meines Mannes, mit ihrer Familie im kleinen Ort St. Agata hoch über Sorrent. Hier war es relativ ruhig im Gegensatz zum wuseligen Stadtzentrum. Wieder sitzen wir auf der Terrasse, trinken gut gekühlten Weißwein mit Pfirsichstücken und erzählen aus unseren so verschiedenen Leben. Antonio schlägt vor, eine Runde mit seinem kleinen Motorboot zu fahren, das würde unserem Sohn Jakob sicher Spaß machen.

Er sattelte sozusagen sein Moped und bot mir an, auf dem Soziussitz Platz zu nehmen. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und bestieg das Vehikel im Damensitz, da ich einen engen Minirock trug. Dann drückte er mir eine angezündete Zigarette in die Hand und so fühlte ich mich mit vierzig sehr jung und verrucht. Die Fahrt war höllisch und machte doch Spaß – bergab, schmale Straße, enge Kurven, damals natürlich auch noch ohne Helm – Leichtsinn war manchmal mein Name. Wir erreichten den Hafen heil und trafen die anderen, die mit dem Auto gefahren sind. Nun ging das Abenteuer weiter – im Motorboot mit atemberaubender Geschwindigkeit hinaus in den Golf von Neapel.

Es war toll und unvergesslich – danke Antonio, der du uns leider schon verlassen hast, ebenso wie Else, die einige Jahre später einem Verkehrsunfall in Indien zum Opfer gefallen war. Ich vermisse euch. Sorrent ist immer noch schön – einmal war ich noch dort – aber ohne euch ist es nicht mehr dasselbe.

© Christine Sollerer-Schnaiter 2024-06-01

Genres
Novels & Stories, Travel
Moods
Abenteuerlich, Emotional, Komisch, Inspirierend, Unbeschwert