by Ellva
Als ich Klein war, war mein Vater für mich mein Held. Ich fand alles an ihm perfekt, den Mann hätte ich am liebsten geheiratet. In der Pubertät änderte sich das natürlich. Mit dem Älter werden und meinen eigenen Erfahrungen bröckelte für mich, das Heldendasein meines Vaters.
Es war Anfang Januar, als ich mit meinem Vater telefonierte und wir uns spontan entschieden die Ferien 2017 gemeinsam an der Nordsee zu verbringen. Die Anreise war noch unklar! Erst zum Opa fahren, dann alle zusammen mit meinem Auto an die Nordsee? – dauert viel zu lange. Oder nach Deutschland fliegen und mit Opas Auto fahren? – Auto viel zu klein. Wir entschieden uns für das Abenteuer Autozug: Villach – Hamburg.
Nach einer kurze Autofahrt waren wir an der Nordsee angekommen. Ich hätte mich am liebsten erst mal ins Bett gelegt, aber mit drei Kindern unmöglich. Sie waren ja fit, ausgeschlafen und neugierig. Opa machte es derweil auf der Terrasse mit seiner Zeitung gemütlich. Das Haus lag an einer befahrenen Straße mit einem tollen großen Garten, jedoch ohne Zaun zur Straße hin. Ich war daher etwas unentspannt, die Kinder alleine im Garten zu lassen. Opa meinte zwar er würde nach ihnen schauen, aber er war mit dem Rücken dem spielen Kindern zugewandt und seine Aufmerksamkeit galt nur seiner Zeitung.
Zum ersten mal kam mir der Gedanke, das ich nicht mir drei, sondern vier Kindern verreist bin. Ich wurde wütend und stellte mit viele Fragen: Warum hatte ich dem Urlaub zugestimmt? Und warum musst der Papa immer arbeiten und ich alleine reisen? Warum musste ICH überhaupt in Urlaub? Warum mit dem Opa?
Ich hatte gehofft, dass mein Vater mir zur Hand ging und mich ein wenig im Urlaub entlasten würde. Aber wie sollte er. Er war es einfach nicht gewohnt. Er lebte seit einigen Jahren allein und wenn ich dann mit meiner Bande komme, dann ist er erst mal überfordert. Die ersten Tage waren mit viel Streit verbunden.
Ich dachte an meine Mutter, die bereits vor einigen Jahren verstorben ist. Sie war immer gestresst und streitet viel mit meinem Vater, aber endlich mit 45 Jahren kam mir die späte Erkenntnis warum sie teilweise so war: sie hätte Unterstützung gebraucht. Sie wünschte sich mehr Hilfe von meinem Vater, genauso wie ich gerade.
Für diese Erkenntnis brauchte 45 Jahre! Es verletzte mich, dass ich es ich es ihr nicht mitteilen konnte, was für eine gute, fleißige Mutter sie war. Es tat mir sehr leid, dass ich es vorher nicht gesehen habe, wie sehr sie unter Stress stand mit meinem gutmütigen, aber bequemen Vater.
Nach und nach fanden wir an der Nordsee zusammen. Ich akzeptierte die Situation, ich versorgte quasi vier Kinder. Mein Vater erledigte die Einkäufe, bemühte sich mir ein wenig zu helfen. Abgesehen, dass einer der Zwillinge fast das Haus mit dem alten Herd abgebrannt hätte, wurde es doch noch ein schöner, halbwegs harmonischer Urlaub.
In diesem Jahr fahren wir wieder zu Opa nach Hause. Der einstige Held ist immer mehr verblasst, aber dafür ist meine Mama präsenter denn je.
© Ellva 2019-08-15