Spuk auf Burg Rieneck

Johanna Buchholz

by Johanna Buchholz

Story
Burg Rieneck

Kunigunde lag wie so oft seit ihrer Heirat mit dem Grafen von Rieneck wach in ihrem Ehebett. Ich geglaubter Traummann schnarchte so laut, dass nicht einmal das SĂ€useln des Windes in den hohen BĂ€umen diese furchtbaren GerĂ€usche ĂŒbertönen konnte. In diesen Momenten dachte Kunigunde an die Zeit vor der Heirat zurĂŒck, als der Graf ihr den Hof machte oder ihr BlumenstrĂ€uße mitbrachte. Er brachte sie zum Lachen und schrieb Lieder fĂŒr sie. Als er ihren Vater um ihre Hand bat, da war Kunigunde glĂŒcklicher als jemals zuvor. Diese Erinnerung ist lĂ€ngst mit einem traurigen Farbfilm ĂŒberzogen, denn Hubert war nach ihrem Ja-Wort nicht mehr der Gleiche gewesen. Er schrie sie an, unterbrach sie und Blumen oder Lieder gab es auch keine mehr. Manchmal roch sie sogar das ParfĂŒm einer anderen Frau an ihm, aber sie wĂŒrde sich nie trauen ihn auch nur darauf anzusprechen. Mit einem Seufzen begab sich Kunigunde aus ihrem Bett. Sie schlich in einem Morgenmantel und einer Kerze in der Hand durch die kalten GĂ€nge der Burg Rieneck hinauf zum Turm. Sie wusste, dass das, was sie tat, nicht richtig war, aber der Graf machte ja das Gleiche, nicht wahr? Möge Gott ihr vergeben, ohne Liebe wĂŒrde sie nĂ€mlich nicht leben können. Zitternd atmete sie aus, bevor sie das abgemachte Klopfzeichen an die eiskalte HolztĂŒr schlug. Von innen war ein Rascheln zu vernehmen und ein SchlĂŒssel schloss die TĂŒr auf, die sie noch von ihrem Liebsten trennte. Er war zwar nur ein Knappe und kein Edelmann, doch sein Herz war das edelste, was sie ja sah. In seinen HĂ€nden hielt er einen schmalen Blumenstrauß, den er vom Wegesrand gepflĂŒckt haben muss und Kunigunde ging das Herz auf. Seit mehreren NĂ€chten hatte sie auf das nĂ€chste Treffen mit ihm gewartet und nun, schlossen sich die beiden Liebenden in die Arme. In ihrem Übermut tauschten sie KĂŒsse aus und gestanden sich ihre Liebe zueinander. Ihre GesprĂ€che waren schon immer von einer Tiefsinnigkeit geprĂ€gt und irgendwann begann Kunigunde bitter zu weinen. Sie erzĂ€hlte ihrem Liebsten, dass sie es nicht mehr mit dem Grafen an ihrer Seite aushielt. Der einzige Ausweg, den sie sah, war sein Tod. Keine Nacht lĂ€nger konnte sie mit einer solchen LĂŒge leben. Ihr Liebster wollte sie unbedingt von ihrem Leid erlösen. Gemeinsam stellten sie sich vor, wie sie zusammen fliehen und ein einfaches Leben am Rande eines Dorfes fĂŒhren wĂŒrden, wo sie niemand kannte. Ein schrecklicher Plan kristallisierte sich heraus. Der Graf von Rieneck musste sterben, damit sie glĂŒcklich sein konnten. Am nĂ€chsten Tag pochte Kunigunde darauf, dass sie mit ihrem Ehegatten ein Glas Wein in ihren GemĂ€chern einnehmen wolle. In der KĂŒche traf sie ihren Geliebten, der ihr eine Phiole mit einem rötlichen Gift reichte. Sie tauschten einen heimlichen Kuss und schworen sich, dass sie nach heute Nacht, nie wieder getrennt sein mĂŒssten. Als der Graf seinen Wein trank, bemerkte er den bitteren Geschmack des Gifts, dass ihn Kunigunde in seinen Becher getan hatte. Mit seinem letzten Atemzug zog er seinen Dolch und jagte ihn ihr in die Brust. Kunigunde ging flehend und weinend zu Boden. Ihr Liebster lauschte an der TĂŒr und versuchte ihr zur Rettung zu kommen, doch zu spĂ€t. Der Graf lag röchelnd auf dem Boden und um Kunigunde fĂ€rbte sich der Boden rot. Kunigunde schwor, dass sie ihren Liebsten nie allein lassen werde. Noch heute kehrt sie jede Nacht in das Turmzimmer der Burg zurĂŒck und ruft weinend nach ihrem Liebsten, den sie verloren hat.

© Johanna Buchholz 2024-03-09

Genres
Novels & Stories, Science Fiction & Fantasy
Moods
Dunkel, Mysteriös, Traurig
Hashtags