Spurensicherung Schokoladenkuchen

Lana Kister

by Lana Kister

Story

Neben dem Studium habe ich fĂŒr eine gewisse Zeit in einer Kanzlei gearbeitet. Da die juristische Ausbildung nicht innerhalb von zwei Jahren kurz und knackig absolviert werden kann, musste man sich etwas dazuverdienen. Das wöchentliche Bierchen in der bekanntesten Kneipe dieser Stadt zahlte sich schließlich nicht von selbst. Also entschloss ich mich, nach dem Abschluss meines ersten Staatsexamens, bei einer Anwaltskanzlei zu arbeiten. Die Kanzlei war ein Familienbetrieb. Zu dieser Familie zĂ€hlen die Eltern, die als AnwĂ€ltin tĂ€tig sind, ihre beiden Söhne und ein Labrador.

Ich arbeitete dort bis ich die Zusage fĂŒr das Referendariat bekam. Da es ĂŒblich ist, an seinem letzten Arbeitstag eine Kleinigkeit mitzubringen, entschied ich mich, einen Schokoladenkuchen zu backen. Gesagt, getan stand dieser am letzten Tag in einen der BĂŒrorĂ€ume. Ich ließ den Kuchen fĂŒr eine Stunde unbeobachtet, da ich noch zu arbeiten hatte. Als ich wieder zurĂŒckkam, musste ich feststellen, dass dieser bis auf den letzten KrĂŒmel aufgegessen wurde. Irritiert ĂŒber die schnelle Essweise der anderen traf ich auf die AnwĂ€lte und fragte sie, ob ihnen der Kuchen geschmeckt habe. Sie schĂŒttelte beide mit dem Kopf und meinte, sie haben keinen Kuchen gesehen. Auf einmal schoss die Frau blitzartig nach oben und schleift ein paar Minuten spĂ€ter ihre beiden Söhne mich sich hinunter.

Der weitere Verlauf spielte sich sodann wie ein schlechter Krimifilm ab: Der Mann, seine Frau und ich saßen in einem der BesprechungsrĂ€ume. Über uns baumelte eine Deckenlampe, die noch leicht flimmerte. Quietschend wurde die TĂŒr aufgemacht und die Kinder traten hinein. Ihr Vater machte eine Handbewegung zu den leeren StĂŒhlen. „Sagt die Wahrheit Jungs, habt ihr den Schokoladenkuchen gegessen?”, fragte er mit bebender Stimme. Beide Kinder saßen mit hochrotem Kopf und verschrĂ€nkten Armen vor uns. Bevor die Jungs allerdings antworten konnten, kam keuchend die SekretĂ€rin in den Raum hinein: „Der Hund“ schrie sie völlig aufgebracht. „Der Hund verkrampft und ĂŒbergibt sich!“ Und mit einem Schlag war jedem klar, wer wirklich der Kuchendieb war.

Ich habe mein Leben schon vor meinen Augen vorbeiziehen sehen. Ich malte mir aus, wie die nĂ€chste Schlagzeile in der Zeitung aussehen wĂŒrde: „Junge Frau bringt Hund mit einem halben Kilo Schokolade um.“ Unruhig saß ich in meinem BĂŒro und knetete mir die HandflĂ€chen wund. WĂ€hrend ich darauf wartete, dass die AnwĂ€lte vom Tierarzt wiederkamen, habe ich jede Gottheit angebetet, die mir bekannt war. Dann endlich vernahm ich das Klicken der HaustĂŒr und die Frau trat hinein.

Entwarnung: Dem Hund geht’s gut, mir geht’s gut, allen geht’s gut.

P. s.: Es war anscheinend nicht das erste Mal, dass dieser Hund einen Kuchen verspeiste. Auch ein Waschlappen zĂ€hlte mal zu einem seiner Mahlzeiten. Er scheint also eine gewisse Vorliebe fĂŒr unverdauliche Dinge zu haben.

© Lana Kister 2022-08-24

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