Starke Flügel

Maria Oberhammer

by Maria Oberhammer

Story

Ben (25.9., frühmorgens): Guten Morgen! Jetzt erwidere ich spät Geschriebenes mit früh Geschriebenem. Also beim Red Bull Flugtag hast du nichts versäumt, es ist viel zu viel los gewesen. Dafür war der Kaffeehausflohmarkt am Samstag richtig nett. Du wünschst dir Flügel? Klingt, als ob du ziemlich angehängt wärst. Umso wichtiger, dass du dir Zeit für dich nimmst. Warte nicht bis dir Flügel wachsen! Maria, ich wünsche dir einen schönen Tag mit Zeit und Raum für dich.

Maria (26.9.): Stimmt, ich brauche dringend Flügel! Was hältst du davon, wenn wir uns einmal treffen? Zu einem Kaffee oder Flohmarkt?

B (27.9.): Maria, deinen Vorschlag finde ich gut! Das machen wir!

M (29.9.): Mit dir zu schreiben gibt mir Kraft, Mut und Hoffnung! Und ich freu mich schon darauf, dich zu sehen…apropos Flohmarkt & so: geht`s bei dir nächsten Samstag?

B (30.9.): Ja, das geht sehr gut – freu mich, dass wir uns dann endlich direkt unterhalten können.

M (1.10.): Bei mir überschlagen sich im Moment die Ereignisse. Heute habe ich mir ein Reihenhaus zur Miete angeschaut, weil ich mit meinen Kindern ausziehen werde. Meine Ehe ist leider am Ende. Ich denke, es ist das Beste so! Wenn alles klappt, kann ich bald den Vertrag unterschreiben.

B (2.10.): Klingt nach “Nägeln mit Köpfen” was du da machst! Glückwunsch zu deinem mutigen Schritt nach vorne! Ich bin ja schon lange geschieden und weiß noch, dass die erste Zeit gar nicht leicht war, weder für uns Eltern noch für die Kinder. Den Verein Rainbows, der psychologische Hilfe für Scheidungskinder anbietet, kann ich dir da empfehlen. Du wirst sehen, nach einer Weile geht es wieder bergauf!

M (3.10.): Danke für deine ermutigenden Worte!

Am 6. Oktober trafen Ben und ich uns dann endlich das erste Mal. Die Mittagssonne strahlte nur so vom wolkenlosen Himmel, als wir uns am Naschmarkt bei Mango-Hühner-Salat nun wahrhaftig gegenübersaßen. Wärme und Herzlichkeit lagen in der Luft, lebendig und offen war unser Gespräch. Beim Verabschieden mit Bussi links und rechts, waren wir uns einig, dass wir uns unbedingt wieder mal treffen wollten. Doch etwas gab es, das ich Ben verschwiegen hatte. Erst am nächsten Abend wagte ich meine schriftliche Offenbarung. Endlose Minuten verstrichen, bis mein Zeigefinger den Weg zum finalen Klick auf “Senden” fand. Vielleicht würde Ben sich danach nie wieder melden.

M (7.10.): Schön war`s dich gestern zu treffen…du bist ein guter Gesprächspartner! Mein Tag war leider nicht so gut. Die Hochschaubahn der Gefühle lässt nicht nach. Morgen habe ich einen Termin beim Frauenarzt. Vor kurzem habe ich einen Knoten in der Brust entdeckt. Denk an mich, dass es hoffentlich nichts Ernstes ist! Keine Ahnung, warum jetzt alles zusammenkommt. Langsam reicht es! Ich würde dich eigentlich gern bald wieder treffen…aber ich weiß nicht, wie das für dich ist?

© Maria Oberhammer 2020-09-06

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