Strandgut

Enarthron

by Enarthron

Story

Trotz des guten Wetters war der Strand verlassen. Nur Natalie und Swantje und Charlie stapften im sportlichen Tempo durch den Sand. Sie suchten nach gestrandeten Objekten und Ablenkung von all den schlechten Nachrichten, auf die sie nun dank Swantjes Hotspot unbeschränkt Zugriff hatten.

Natalie blieb stehen. Ein Möwenkadaver. Nicht das, worauf die drei gehofft hatten, aber immerhin. Natalie machte ein Foto, ihr gefiel die Brutalität dieses Anblicks.

Sie gingen weiter. Eine Muschel, die nicht aussah als würde sie an eine deutsche Küste gehören. Können Muscheln sich verschwimmen?

Nächste Station war eine Ansammlung großer Steine, auf der sie sich niederließen. Am Horizont sah man, wie ein Kreuzfahrtschiff am nächsten Kurort anlegte. Ansonsten gab es wenig zu sehen außer der Weite des Meeres.

„So paradox. Der Großteil unseres Planeten ist von Wasser vereinnahmt und trotzdem haben wir Wasserknappheit. Dabei sind wir umgeben von dem Zeug.“, sagte Natalie nachdenklich.

„Ist wie mit dem Geld.“, murmelte Swantje. „So viel Geld und trotzdem so viel Armut.“

Sie schwiegen. Charlie beobachtete nachdenklich das Kreuzfahrtschiff, das mittlerweile seinen Hafen erreicht hatte.

„Glaubt ihr das gibt Konsequenzen?“

„Alles hat Konsequenzen.“

„Aber für uns? Wo jetzt in der heutigen Sitzung so deutlich geworden ist, dass wir Internetzugang haben und uns nicht davor scheuen, den ganzen Tag böse Nachrichten zu konsumieren?“

Natalie schwieg, sie fühlte sich schuldig, weil sie in der heutigen Sitzung gesagt hatte, dass sie die aktuellen Nachrichten beunruhigten und sie sich daher gestresst fühlte. Dafür wurde sie von der Therapeutin mit einem mahnenden Blick versehen, der deutlich sagte: Wer Nachrichten schaut, ist selbst schuld. Kurze Zeit später wollte die Klinikleitung mit Swantje über den Hotspot sprechen, den sie anscheinend in ihrem Wohnwagen installiert hatte.

„Was wollen sie denn machen, uns keine Bestätigung der Wiederherstellung unserer Arbeitsfähigkeit ausstellen? Als ob das meine Arbeitgeber auch nur im Geringsten interessieren würde.“, sagte Swantje beschwichtigend.

„Ich finde es sollte Konsequenzen für die Klinik haben, dass sie offensichtlich ein Konzept haben, das an den Bedürfnissen und Realitäten ihrer Patient*innen vorbeigeht.“, meinte Charlie trocken. „Wie sollen wir lernen mit all den besorgniserregenden Tatsachen umzugehen, wenn uns einfach nur geraten wird die Finger davon zu lassen und alles zu ignorieren solang wir können. Das ist doch wie Sexualaufklärung, die einem weißmachen will, dass Abstinenz der einzige Schutz vor Schwangerschaft sei.“

„Ja, es müsste sowas wie eine mentale Verhütung vor Verzweiflung geben. Verzweiflungsverhütung. Ich würd’s nehmen.“

Sie lachten in die nächste Welle hinein und fühlten sich ein bisschen weniger allein.

© Enarthron 2022-08-30

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