Striptease

Chatniris

by Chatniris

Story
Tirol

An Tagen wie diesen, 


… da muss ich einfach raus, da hat Haushalt halt keinen Platz, da will ich zum See. Denn wenn ich diesen See seh, brauch ich kein Meer mehr. Momentan. In einem Monat schon.

Also schnapp ich meine Badesachen, nimm das normale Radl und strample bei wolkenlosem Himmel und noch leicht ertrĂ€glichen Temperaturen durch das Inntal, um noch vor dem großen Ansturm am Ziel zu sein.

Genau diesen Gedanken haben am Samstag mehrere, eh klar. Auch Frau Meier aus der Nachbarschaft. Jawohl, die Sabine, die jahrelang gehÀnselt (MUSS man das gendern? Gegretelt?) wurde. 
 und die Sabine, die ich meine, nennt sich Meier


Ok, also sie ĂŒberholt mich in ihrer sportlichen Aufmachung: Rennrad, Radlerschuhe mit Clip, weiße Radlerhose, hautenge Rennjacke, ergonomischer Rucksack, Helm, riesige, spiegelnde Sonnenbrille, fingerfreie Handschuhe.

Sie macht nur einen Fehler. Wahrscheinlich NIE wieder. Bestimmt sogar. Sie lĂ€sst den Reißverschluss der Jacke fast bis zum Nabel offen. Zwecks der KĂŒhlung warats. Nichts drunter, bei der Figur kann sie sich das leisten, betont sie ja öfters.

Kurz vor der Abzweigung ins Zillertal bearbeitet ein Landwirt seine Wiese. Dabei nimmt er relativ wenig RĂŒcksicht auf das, was sich da eventuell eingenistet hat. Jedenfalls bekommt die Sabine das gleich zu spĂŒren. Sie radelt ungefĂ€hr zweihundert Meter vor mir. Da bremst sie ab, wirft das Rad hin und reißt sich die Jacke vom Körper. SchlĂ€gt damit wie irre um sich, wischt mit der anderen Hand vor ihrem Gesicht hektisch hin und her. Kurz, bevor ich bei ihr bin, sehe ich den Wespenschwarm, in dem sie sich gerade befindet. Da sind wohl einige in ihr Dekollete vorgedrungen und kamen so leicht nicht mehr heraus, daher wahrscheinlich der schmerzhafte Angriff. Ich gebe zu, so mit neckend reizen (Definition von Striptease) hat der momentane Anblick nichts zu tun. Ich biete ihr meine Aloe Vera-Salbe an, die schon seit Wochen in meinem Baderucksack schlummert, damit sie ihre gerötete Haut beruhigen kann. Dankend nimmt sie die Tube an, cremt sich ein, die Wespen kreisen zwar noch, lassen uns jedoch in Ruhe – mich sowieso. Ein paar Radler vermindern ihr Tempo, ich denke, weniger wegen der Wespen, eher wegen des doch recht hĂŒbschen Anblicks am Wegesrand. Wir unterhalten uns noch und stellen fest, dass wir das gleiche Ziel haben. Sie kontrolliert noch ihre Jacke und zieht sie an. Hochgeschlossen gehtÂŽs dann zum See. 

Das kĂŒhle Wasser tut ihr sichtlich gut. Mir sowieso. Ihr Angebot, meinen RĂŒcken mit der Sonnencreme einzureiben, lehne ich nicht ab, genieße noch zwei Stunden den Badetag, bevor ich dann – alleine – wieder heim fahre. Vorbei am Erdwespennest, das der Bauer zerstört haben dĂŒrfte.

© Chatniris 2024-08-11

Genres
Travel
Moods
Unbeschwert, Angespannt
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