Suburbia liegt ganz im Licht der untergehenden Sonne. Einzelne Wolken schwimmen am blau orangen Horizont. Der Himmel sieht aus wie ein Bildschirmschoner. Der Discounterparkplatz sieht aus wie der Ort, an den man eines Tages zurückdenkt und sich an all die wunderbar freien aber längst vergangenen Momente der Jugend erinnert, die man mit ihm verbindet. Zack und Lola sitzen auf dem Parkplatz auf einem Bordstein und schauen in den Sonnenuntergang. Bis auf die beiden ist der Parkplatz leer. Ein Einkaufswagen steht verlassen herum. Ein paar Teenager verlassen den Parkplatz mit Flaschen unterm Arm.
Lola schaut zu Zack: „Macht es dich auch traurig, nie richtig fertig geworden zu sein?“. Zack schaut sie fragend an: „Was meinst du?“. „Ich wollte so viel erreichen, so viel erleben und zu der werden, die ich sein sollte“, antwortet Lola: „Ich hab mich durch die ganze Scheiße gekämpft und nach jedem Tiefpunkt bin ich stärker zurückgekommen. Ich hab endlich meinen Weg gefunden und jeden Tag ging ich ihn ein Stück weiter. Aber ich war noch nicht ansatzweise am Höhepunkt, ich war gerade erst dabei, richtig anzufangen.“ Sie haut frustriert mit der Faust auf den Bordstein: „Meine Geschichte kann noch nicht vorbei sein!“. Zack lächelt, ohne sie zu verspotten: „Man kann doch das Leben nicht in Kapitel einteilen! Wer will dir denn bitte sagen, nach welcher Struktur du leben sollst? Dein Leben ist kein verficktes Buch, in dem du versuchst, künstlich Spannung und Dramaturgie zu erzeugen. Du erzählst dein Leben doch nicht deinem Deutschlehrer, du lebst es für dich. Verschwende nicht deine Zeit alles zu dramatisieren, weil du kriegst, keinen scheiß Oscar dafür, alles zu ernst zu nehmen.“ Lola schüttelt den Kopf: „Verstehst du denn nicht, dass ich einfach noch nicht fertig war? Ich hatte so viel vor mir, es gibt so viel, was ich noch nicht gesehen und getan habe.“ Zack schaut sie so verständnisvoll an, wie eine Mutter ihr kleines Kind, nachdem es in die Hose gestuhlt hat: „Das ist okay. Es gibt keine 100%. Niemand tut alles, was es zu tun gibt. Jeder tut das, was er kann.“ Das Gewicht der Aussage spiegelt sich in Lolas geweiteten Augen wider. Sie versucht etwas zu antworten, aber öffnet nur ihren Mund und schließt ihn wieder. Dann fragt sie: „Warum hört sich jeder Satz von dir so an wie eine offensichtliche Wahrheit, die ich schon lange kenne, aber vorher nie verstanden habe?“.
„Weil ich so war wie du.“ Schweigen.
„Weißt du wovor ich Angst habe?“, fragt Lola nach einiger Zeit: „Dass ich eigentlich gerade irgendwo in einer engen Kühltruhe verblute und dass das alles hier nur ein letzter verzweifelter Traum ist, um den Schmerz irgendwie auszublenden.“ „Ist es denn ein schöner Traum?“, fragt Zack ohne zu zögern. Lola legt ihre schöne Stirn in Falten, dann nickt sie. Zack lächelt einfühlsam: „Dann ist es scheißegal, oder?“. Lola schaut ihn überrascht an, dann lächelt auch sie: „Ja. Scheißegal!”
© Joris Alexander Buhre 2022-08-18