by IDee
Eine Fortbildung, ein Traum wird wahr, ein wenig Abwechslung zur Elternzeit. Wie schön, dass die Veranstalter auch an eine Betreuung für das Kind zu dachten. Es liegt eine lange Liste mit Namen und Adressen der verschiedenen Tagesmütter und –Väter bei. Schnell habe ich eine gefunden, die mitten auf meinem Weg liegt. Umgehend rufe ich bei ihr an. Ich habe Glück und kann schon am nächsten Tag bei ihr mit meinem Sohn vorbeikommen, zum Kennenlernen, auch sie hat einen Sohn, allerdings ein Jahr jünger, meiner ist gerade drei. Mein Sohn ist das perfekte mittlere Kind, er kommt mit älteren und jüngeren Kindern klar. Da mache ich mir keine Gedanken.
Zur vereinbarten Zeit stehen wir vor ihrer Tür und klingeln. Ich bin gespannt. Es wird geöffnet, wir betreten die Wohnung. Sie erinnert mich an Schneewittchen, nur pummeliger, ihr Sohn ist ein putziges farbiges Kind. Die Kinder verstehen sich auf Anhieb, umgehend sind sie verschwunden. Frau Schmidt zeigt mir die Wohnung, die sehr schön ist und ausgesprochen kindgerecht. Sie erzählt von sich und der Tagesmutteragentur. Frau Schmidt erklärt den Tagesablauf, stellt mir einige Spiele, vor die sie mit den Kindern gerne spielen würde und auf welchen Spielplatz sie gehen möchte. Sie empfiehlt mir den Bioladen gegenüber und erwähnt auch wann ihr Mann nach Hause kommt. Eine Zeitlang sehen wir den Kindern beim Spielen zu. Wir verstehen uns, es ist abgemacht, in der nächsten Woche kommt mein Sohn täglich zu ihr. Wir verabschieden uns und gehen wieder.
Kaum zu Hause angekommen, klingelt das Telefon, Frau Schmidt ist dran. Mir wird schlecht, sagt sie jetzt doch ab? „Entschuldigung, dass ich Sie störe, aber die Agentur meint, dass ich Ihnen das sagen muss.“, meint sie. „Was, sagen müssen?“, das macht mich nervös. „Na ja, sie meinen, weil es schon so oft Ärger gegeben hat, weil ich es nicht ausdrücklich gesagt habe. Nun ja, mein Mann ist ein Farbiger und ist meistens ab Mittag zu Hause”, sagt sie stockend. Schweigen! Ich muss das sacken lassen.
„Was?!“, bricht es aus mir heraus, „das ist ja wohl nicht Ihr Ernst? Wir waren eben noch bei Ihnen und dass Ihr Sohn im Gegensatz zu Ihnen nicht gerade wie ein Weißbrot aussieht, steht mal fest. Da liegt doch der Verdacht nahe, dass Ihr Mann kein Skandinavier ist.“ Ich muss Luft holen. „Entschuldigung! Ja ich muss mich entschuldigen! Für alle die Menschen die darin ein Problem sehen. Von mir aus können Sie und Ihre Familie Lila-Grün-Kariert sein, auch das wäre mir egal. Wir fanden Sie nett und wir freuen uns auf die nächste Woche.“ Selbst durch Telefon wird klar wie erleichtert sie ist. Mich entsetzt es und nach wie vor bin ich fassungslos, wenn ich daran denke. Ich kann nicht verstehen, dass Lebewesen nach Äußerlichkeiten beurteilt werden. Nebenbei mein Kind hatte eine schöne Woche.
© IDee 2021-05-27