by Barbara Fath
Jedes Mal, wenn Tommy und Annika am Schulweg bei der gelb-rosa Villa Kunterbunt vorbeigingen, beneideten sie ihre Freundin Pippi um dessen Freiheit, denn Pippi ging nicht zur Schule. Sie blieb lieber mit ihrem Affen Nilsson in der Villa und brachte sich das Rechnen: „zwei mal drei macht vier widewidewitt und drei macht neune…” selbst bei. Sehr zum Ärgernis von Fräulein Prusseliese, die in ihrem biederen, blauen Kleid, mit ihrem strengen Blick und dem lustigen Federhut nicht tolerieren wollte, dass Pippi so ungehorsam war. Ein Kind, das sich nicht beugt, war im Dorf nicht zu dulden. Doch um an Pippi heranzukommen, musste sie an Onkel vorbei und vor dem hatte sie Angst. Onkel war Pippis Pferd und wohnte auf der Veranda.
Alle kennen Pippi Langstrumpf. In zahlreichen Filmen und Büchern wurde das abenteuerliche Leben, die mutige Heldin der Kindheit, festgehalten. Sie brach alle Regeln, war furchtlos und fröhlich. Sie machte, was sie wollte und verzauberte mit ihrer Fantasie. Ihre Rebellion wurde zum Vorbild. Ihr Geist war neugierig und ihr Wille stark. Viele Kinder und Erwachsene wünschten sich auch so eine bunte Lebendigkeit, denn Pippi war anders. Sie wurde um ihr Denken und Handeln, welches mutig Grenzen überschritt und Unmögliches möglich machte, beneidet. „Ein Geschenk des Himmels für die Kinderstuben“, so nannte man damals die kleine, rothaarige Pippi und alle Menschen liebten sie.
Heute jedoch, wenn wunderbare Pippis in den Herzen der Menschen wieder erwachen und zu brennen beginnen, ist die Begeisterung der Mitmenschen eine andere, sie ähnelt einer Nichtliebe. Pippis der Gegenwart stören und sind unbequem. Denn wer mit Affen und Pferden spricht, einen Kapitän Efraim zum Vater hat und sich mit Landstreichern wie Blom und Donner-Karlsson abgibt, ist sowieso verrückt. Am besten die Geschichte gleich abwürgen, gar nicht hinhören, gleich löschen.
Pippis der Gegenwart, die sich nicht in die Enge treiben lassen, sich mutig äußern, sich nicht verstecken, sich trauen, Gesicht zu zeigen und nicht müde werden, für eine Zukunft zu kämpfen, die nicht trennt, spaltet, diffamiert und ausgrenzt, brauchen mehr als nur die Kraft, um ein Pferd zu stemmen.
Ich wünsche allen lang- und kurzstrümpfigen Pippis , dass ihnen genau diese Power nicht ausgeht und für jede widerspenstige, couragierte Sommersprosse, egal ob männlich oder weiblich, alt oder jung, arm oder reich, dünn oder dick, geimpft oder ungeimpft, bin ich sehr dankbar und ich hoffe, dass nicht alle ins Taka-Tuka-Land oder nach Schweden auswandern, wobei ich das durchaus verstehen würde, haben wir aktuell einfach zu viele Fräuleins Prusselieschens.
Bild Jessica Pamp
© Barbara Fath 2021-09-30