Tankstelle

Romachebella

by Romachebella

Story

Die StraĂźe fĂĽhrt, in weiten Kurven, ständig bergab – zum GlĂĽck, denn die Nadel der Tankanzeige zittert bedenklich ĂĽber der roten Linie. NatĂĽrlich hatten wir vor, noch in Tusayan am Grand Canyon zu tanken, vor dem Wegfahren; aber dann kamen der atemberaubend schöne Sonnenaufgang, der frische Schnee, und die Pläne waren vergessen – bis eben eine halbe Stunde nach dem Aufbruch besagte Tanknadel plötzlich rasch nach unten wanderte, um schlieĂźlich hartnäckig immer und immer wieder auf den warnenden roten Balken zu weisen wie ein unerbittlicher Lehrer-Finger.

Die Landschaft ist herzzerreißend schön. Der Schnee glitzert, der Himmel weiter als je. Wir haben, ohne es zu wissen, die letzte Woche erwischt, in der man diese Straße noch offiziell befahren darf; eine Woche später, und wir hätten den beträchtlichen Umweg über Flagstaff nehmen müssen. Anscheinend sind wir die einzigen, denen dieses Glück widerfährt – kein Mensch ist außer uns hier unterwegs.

Die Nadel zittert. Wie lange ist es eigentlich bis zur nächsten Ortschaft? Wir sind unbekümmert uninformiert. Der Wald ist licht, und wäre es nicht zu kalt, wir würden die Fenster herunterlassen, um die unglaubliche Ruhe zu spüren.

Wir fahren. Bergab, leicht zwar, aber doch; langsam schleicht sich etwas Nervosität ein. Wie viel Benzin fasst wohl die Reserve? Wie viele Kilometer zur nächsten Tankstelle? Keine Anzeigen, die uns beruhigen könnten; keine Werbetafeln, nichts. Wir sind eben mitten in einem riesigen Nationalpark, und jetzt, da uns die Unruhe erfasst hat, wird uns das schmerzhaft bewusst: Wenn wir hier stranden, ohne Benzin – wie lange wird es wohl dauern, bis jemand vorbeikommt? Wir haben kein Auto gesehen, seit wir losgefahren sind. Kein Haus, keine Abzweigung.

Die Straße beginnt sich mehr zu neigen, die Kurven werden steiler und enger; vor uns öffnet sich der Wald hin zu felsigen Wänden. Die Ebene liegt vor uns, ganz unerwartet – braun, orange und ockerfarben, ganz anders als das winterliche Waldgebiet, das hinter uns liegt. Es geht jetzt so steil bergab, dass wir wohl auch ohne Motorleistung bis ins Tal rollen könnten (aber war da nicht etwas mit den Bremsen, wenn der Motor – egal. Nur nicht stehen bleiben!)

Schließlich schneidet die Straße zwischen zwei Felshängen durch, und siehe da – der Highway! An der Kreuzung – es ist ein gigantischer Kreisverkehr, der nagelneu aussieht, so schwarz glänzt der Asphalt – Ja! Eine Tankstelle! Noch nie habe ich mich so über das rot-blaue Chevron-Zeichen gefreut.

Ich sende ein Dankgebet an den Heiligen Christophorus. Wir rollen beschwingt durch den Kreisverkehr, genau bis unter die überdachten Zapfsäulen. Vor Erleichterung hopsen wir geradezu aus dem Mini-Van: alles gut, Tag gerettet!

Dass die Tanksäule unsere Kreditkarten kategorisch ablehnt und wir selbst mit der Hilfe des etwas erstaunten Tankstellen-Angestellten einige Zeit brauchen, um den – tatsächlich komplett leeren – Tank zu füllen: Das ist eine andere Geschichte.

© Romachebella 2021-02-07

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