Teil 6 – Mein neues Leben

Nach meinem ersten Schultag als „Ida Igel“ machte ich mich erschöpft auf den Heimweg. Ich konnte ja nicht erahnen, dass mein neues Leben so holprig starten würde und auch so anstrengend sein würde. Ich hatte noch einen steinigen Weg vor mir, das war mir klar.

Zu Hause empfing mich schon meine Mutter, Isabella Igel. Sie sah mich mit einem komischen Blick an. Bald darauf wusste ich auch warum. Mama fühlte sich schuldig, dass sie mich heute allein hatte zur Schule gehen lassen. Doch sie hatte am Vormittag einen wichtigen Termin. Deshalb konnte sie auch nicht in der Schule Bescheid geben und alle über meine Verwandlung informieren.

Nachdem sie aber einen Anruf unserer Direktion erhalten hatte, die ihr berichtete, was geschehen war, wurde ihr schlagartig bewusst, dass sie mich fortan besser unterstützen musste. Schließlich bin ich noch ein kleines Igel-Mädchen. Ich sagte ihr, dass sie sich keine Sorgen machen sollte und ging erstmal auf mein Zimmer. Ein bisschen Alleinsein würde mir sicherlich nicht schaden.

Dort angekommen, traute ich meinen Igel-Augen kaum. Mein Kleiderschrank stand offen. Und wisst ihr was?

Es lugten die schönsten und glitzerndsten Kleider aus dem Schrank, die ich je gesehen hatte. Das war also der wichtige Termin, von dem meine Mutter vorhin gesprochen hatte. Sie hatte den ganzen Vormittag damit verbracht, für mich einzukaufen und hatte auch mein Zimmer umdekoriert. Ich liebte alles daran.

So konnte ich für einen kurzen Moment alle meine Gedanken und Sorgen zur Seite schieben. Der Tag konnte nur noch besser werden. Und das wurde er auch. Denn plötzlich rief meine Mutter: „Ida Schätzchen, das Essen ist fertig.“

Es war das erste Mal, dass sie mich bei meinem neuen Namen nannte. Ein Glücksgefühl durchströmte meinen ganzen Igel-Körper. Ich rannte schnell nach unten und aß mit meiner Mama. Sie hatte mein Lieblingsessen zubereitet und ließ sich alles erzählen, was in der Schule vorgefallen war.

Natürlich musste ich während des Erzählens nochmals weinen, doch weinen ist wichtig, weinen befreit unsere Seele von tief sitzenden Schmerzen.

Jedes Menschentier darf weinen. Ein Igel-Bub genauso wie ein Igel-Mädchen.