The cruel cases of Detective Thompson

Kapitel 1: Die Kleinstadt

“Hier spricht Detective Thompson. Schicken Sie die Spurensicherung zur folgenden Adresse. Ich bin in einer halben Stunde am Tatort. Es handelt sich um einen mutmaßlichen Selbstmord.“ Über Funk leitete er ohne schlechtes Gewissen und ohne Befugnis seines Captains eine Ermittlung ein, welche er eigentlich nur formal überprüfen hätte sollen. Der Detective besaß eine Gabe (meinten zumindest die jüngeren Officer aus seinem Umfeld), Fälle auf eine eher unkonventionelle Weise zu erfassen und nach seiner eigenen Art zu ermitteln. Bei einem Verdacht, es könne mehr dahinterstecken, behielt er zu neunundneunzig Prozent Recht. Auf der Polizeiakademie war er eine Art Legende, ein lebender Mythos und man erzählte die verrücktesten Geschichten, welche nicht einmal zur Hälfte an Wahrheit enthielten. Die ruppige, altmodische Art zu ermitteln brachte den Detective sehr zu Missfallen einiger Kollegen in jungen Jahren ganz nach oben. Neid und Angst ihm gegenüber hielten ihn jedoch nie auf. Er war ein Einzelgänger, arbeitete dennoch hin und wieder mit seinem alten Ausbilder zusammen. Auf Befehl des Captains natürlich, um ihren Ermittler zumindest ein wenig an eine kürzere Leine zu binden.

Jetzt stand ihm eine lange Fahrt bevor, bis er am Ort des Geschehens Fuß fassen konnte. Streng genommen war Thompson einige Tage auf Urlaub, er bewegte sich dennoch kaum von seinem Schreibtisch im Department weg. Sein Urlaub staute sich auf wie bei keinem sonst. Ebenso seine Überstunden. Er war ein Arbeitstier und liebte im Grunde, dass was er tat. Ein anderer Beweggrund seines unerschöpflichen Einsatzes für die Polizeiarbeit war, dass zu Hause nichts auf ihn wartete, außer ein paar Topfpflanzen. Sein Kühlschrank war selten gefüllt, seine Wohnung kaum betreten.

In der untersten, mit einem Schlüssel verschlossenen, Schublade seines Schreibtisches war immer eine Box seines Lieblingsgebäcks untergebracht, was ebenfalls ein Grund war im Department zu bleiben. Thompson ärgerte sich nach zehn Minuten auf dem Highway darüber, diese dort vergessen zu haben. Sein Magen knurrte, auf dem Rückweg müsse er wohl einen kurzen Zwischenstopp einlegen. Auf einem großen Straßenschild, nach dem allseits beliebten Lost Place hier in der Gegend, einem heruntergekommenen Diner im sechziger Jahre Look, hing einseitig losgerissen ein Banner, worauf einzig die Buchstaben „…ightmare“ in dunkelroter Schrift erkennbar waren. Der Detective wusste genau, was einmal zur Gänze darauf stand. „Hells Nightmare“. Der Name einer radikalen Sekte, welche er mit seinem direkten Vorgesetzten Sergeant Pierce vor einem halben Jahr das Handwerk legen musste. Bei dem Gedanken an diesen Fall lief es ihm kalt den Rücken hinunter. Manche Ereignisse brennen sich für die Ewigkeit in die Gedanken, jederzeit abrufbereit, obwohl man sie am liebsten irgendwo in der dunkelsten Ecke seiner selbst vergraben würde.