Tödliche Entscheidung

Dorian

by Dorian

Story

Dorian hatte in Stuttgart’s Fussgängerzone ein Geschäft gemietet. Der Laden war frei geworden und er konnte das Lokal für ein Drittel des Mietpreises nutzen. Mit der Auflage, sofort zu räumen, wenn sich ein neuer, ein fester Mieter gefunden haben würde. Alles war von daher provisorisch eingerichtet und der eigentliche Verkauf fand nur im Eingangsbereich auf Tapeziertischen statt. Er legte Ledertaschen, Gürtel und Halstücher auf.

Das Geschäft lief sehr perfekt. Die Schulstraße war gut frequentiert und die Leute drängten sich dicht an dicht an den Wühltischen. Schräg gegenüber seines Ladens war ein großer Teppichhandel. Der Besitzer war ein Perser, der zusammen mit seiner Frau das Geschäft betrieb. Einmal kam sie herrüber, um sich die Taschen anzuschauen. Sie versuchte zu feilschen wie auf einem orientalischen Bazar. Auf ihrer Seite verkaufte sie Teppiche, die 10.000 kosteten und bei ihm wollte sie bei 30 Mark nur die Hälfte bezahlen. Dorian verneinte und sie zog eingeschnappt ab.

Seinen Wagen parkte Dorian in einer Sackgasse hinter der Ladenzeile. Dort war eigentlich Halteverbot und dafür gab es jeden Tag ein Knöllchen in Höhe von 10 Mark. Das war unangenehm, aber das Parkhaus war weit weg und hätte in etwa das Gleiche gekostet. Komischerweise gab es Autos von anderen Ladenbesitzern, die dort genauso lange parkten, aber keinen Strafzettel erhielten. Eines Tages fand er zu dem 10-Markknöllchen noch ein weiteres in Höhe von 35 Mark.

Dorian musste etwas unternehmen, denn das konnte er auf Dauer nicht bezahlen. Er schloss sein Geschäft und legte sich auf die Lauer. Tatsächlich kam der Bulle und trabte an der Reihe parkender Autos entlang. Ein paar ließ er dabei absichtlich aus, seins aber nicht. Dorian nahm den zweiten Strafzettel vom Scheibenwischer, ging auf den Polizisten zu und steckte ihm das Knöllchen in seine Hemdentasche.

Er war vollkommen überrascht von der Aktion.

“Was erlauben sie sich!”

“Jetzt passen sie mal gut auf. Ich weiß, dass sie hier an manchen Wagen einfach so vorbeigehen, z.B. an dem Mercedes dort, der dem Cafébesitzer gehört. Dort, wo sie jeden Tag ihren Kaffee trinken. Mir ist das egal, aber wenn sie nicht aufhören, mir ein zweites Knöllchen zu verpassen, dann zeige ich sie an, wegen Begünstigung im Amt.”

Von da an machte der Aufschreiberling, zumindest am Nachmittag, um Dorian’s alten Opel, einen weiten Bogen.

Die heißen Augusttage vergingen in gewohnter Routine bis es eines Nachmittags zu einem verheerenden Zwischenfall kam. Schwarzer dicker Rauch quoll aus dem Teppichgeschäft. Er sah den Perser und die Frau aus dem Geschäft kommen. Sie schrie ihn an und deutete nach drinnen. Er zuckte nur mit den Schultern. Dann wollte sie in den Laden zurück. Vergeblich versuchte der Iraner sie aufzuhalten. Sie riss sich los und verschwand in den Rauchschwaden. Eine tödliche Entscheidung, denn sie kam nicht wieder.

Später erfuhr Dorian, dass sich 25000 in der Kasse befunden hatten und sie deshalb zurückging.

© Dorian 2021-11-18