by Gunny Catell
Der Traumsee blendet und strahlt gleißender als die Sonne. Von Weitem zieht ein riesiger Kristall meine Aufmerksamkeit auf sich. Was bedeutet er? Im Sommer 1886 waren dem Bildhauer Heinrich Natter bei einer Bergwanderung Knappen begegnet, die einen eben gebrochenen, großen, schönen Kristall herabtrugen. Voll Freude erwarb er den pyramidal geformten Block und brachte ihn nach Gmunden. Durch die farbige Pracht wurde die Fantasie des Künstlers angeregt. Er sah im Berginneren Gnome an ihrer Arbeit, wie sie mit grinsender Freude die schwere Felsstufe aufwärts brachten. So entstand sein „Gnom mit dem Kristall“, welcher von der Stadt Gmunden erworben wurde und seitdem das Stadtbild von Gmunden prägt. Genauso wie das Schloss Ort, in dem meine Eltern im Jahre 1959 ihre Hochzeit feierten. Wann immer meine Mutter mit mir in Gmunden war, spazierten wir zum nahen Toscanapark und über die pittoreske Brücke zum Schloss mitten am See. Meine Mutter schwelgte dabei in Erinnerungen an die schönsten Zeiten ihres Lebens, die sie immer hier verbracht hatte.
Wenn man mich fragt, was mein absoluter Höhepunkt im Salzkammergut ist, so gibt es für mich keine Zweifel, es ist die Wanderung UM bzw. der Aufstieg AUF den Traunstein. Ich fahre also mit der Seilbahn hinauf auf den Grünberg, wandere zum Laudachsee und beginne den heiklen Aufstieg zur Hohen Schartl auf 1100 m. Es geht dabei auffi, umi, owi, auffi, owi, fiari, ummi. Der Sage nach hat der Riese Erla von hier oben das erste Mal die Nixe vom Laudachsee beobachtet. Nixen begegne ich aber erst später. Seltener besteige ich den Traunstein über den Hernlersteig durch die Kaltenbachwildnis. Noch bevor ich oben ankomme, erklimme ich die prachtvolle Felsszenerie und gestatte mir atemberaubende Aussichten auf den tiefsten See Österreichs. Oft bin ich verführt, einfach loszulassen und die Felswand hinunterzuspringen. Er ist mein absoluter Lieblingssteig. Nicht mal vom The Nose im Yesomite habe ich eine ähnlich spektakuläre Aussicht. Man sollte sich aber nicht von diesem Berg täuschen lassen und ausgelassen werden. Jedes Jahr verunglücken hier Leichtsinnige. Das macht auch den Mythos dieses Berges aus. Oben angekommen gilt es den Gipfelsieg bei einem Glaserl zu genießen. Dann folgt der Abstieg auf der Rückseite des Traunsteins bis fast zum See. Mein Ziel ist der Sprung zur Abkühlung in den herrlich kalten Traunsee und dabei vielleicht Kontakt mit den Wassernixen und Berggeistern aufzunehmen. Ein Traum! Die Sonne scheint einem schön ins Gesicht. Auf dem Miesweg steige ich dann die Felswände über dem See zurück oder wandle durch den Traunstein Tunnel. Dunkel mystisch.
Am nächsten Morgen dann noch ein Highlight. Zur inneren Sammlung gehe ich “meinen” Jakobsweg und wallfahre von St. Gilgen bis nach St. Wolfgang. Dieser besondere Tag beginnt am Europakloster Gut Aich, der ersten KlostergrĂĽndung in Ă–sterreich seit 800 Jahren. Bei den Mönchen dort wird tatsächlich Menschlichkeit hochgehalten. Sinnsucher können immer wieder von diesem Kloster aus zu einer Wallfahrt auf den Falkenstein aufbrechen, sich dort durch eine enge Schlucht drängen und einen Stein niederlegen, um sich von ihren größten Lasten zu befreien – und endlich beglĂĽckt im WeiĂźen Rössl einkehren.
© Gunny Catell 2023-12-27