Traumtagebuch – 25. Eintrag, Teil 1

Anika Schäfer

by Anika Schäfer

Story

Mein Traum-Ich war in einen ausgewachsenen Krimi hineingeraten. Seit Monaten lauteten die Schlagzeilen sämtlicher Zeitungen gleich: MORD. Sie geschahen in einem kleinen Städtchen, mehrere Autostunden von mir entfernt. Das Mysteriöse: Es wurden ausschließlich Spaziergänger mit Hunden getötet – die Spaziergänger und die Hunde. Ich beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen. Gemeinsam mit meiner kleinen Hündin, die furchtlos genug war, dieses Abenteuer mit mir zu wagen, begab ich mich auf den Weg zum Tatort.

Das Städtchen lag am Rande eines lichtdurchfluteten Waldes und war unglaublich idyllisch. Winzige Wichtelhäuschen mit bunt lackierten Fensterläden und leuchtenden Dächern drängten sich aneinander. Vor den Fenstern waren Blumenkübel angebracht, aus denen mehrfarbige Geranien und weiße und lila Petunien in verschwenderischer Fülle wucherten. Als ich eintraf, war soeben ein frühlingshafter Regenguss versiegt, und die Sonne spiegelte sich auf den feuchten Straßen. Unvorstellbar, dass dies ein Ort des Grauens sein sollte!

Unterkommen würde ich bei einer Familie, die unmittelbar in das Geschehen des Schreckens involviert gewesen war: Die Mutter war getötet worden. Nun setzte sich die Familie aus drei Kindern und dem Vater zusammen, der allerdings verreist war, weshalb ich lediglich von den Geschwistern in Empfang genommen wurde. Mein direkter Gastgeber war ein hochgewachsener, sportlicher junge Mann meines Alters, der mich – trotz des vergangenen Verlustes – freundlich und zugewandt begrüßte.

Am Abend veranstaltete er mit einigen Kumpels ein Grillen mitsamt gemütlichem Beisammensein. Ich war eingeladen und lernte bei dieser Gelegenheit den Rest der Familie kennen. Da war zum einen der kleine Bruder, der einen steten Sicherheitsabstand zu mir wahrte und mich aus seinen dunklen Augen misstrauisch anfunkelte. Die große Schwester, die mit ihren seidenglatten blonden Haaren sehr hübsch war, glich diese Unfreundlichkeit mit ihrem offenen Wesen aus. Zuletzt wurde mir der Familienhund vorgestellt: eine graue Bulldogge, die den Anschein machte, dass nicht einmal ein Tornado sie umhauen könnte. Ihre Sanftheit stand der eines Lämmchens allerdings in nichts nach, weshalb sie sich blendend mit meiner eigenen Hündin verstand. Wir verabredeten uns für den nächsten Morgen, um eine gemeinsame Runde mit unseren Vierbeinern zu drehen.


© Anika Schäfer 2025-05-19

Genres
Novels & Stories
Moods
Abenteuerlich, Mysteriös