Über Spiritismus 1/4

Ulrike Sammer

by Ulrike Sammer

Story

Mit Spiritismus, Okkultismus oder Geisterglaube werden verschiedene Formen der Beschwörung von Geistern, insbesondere von Verstorbenen bezeichnet, die sich wahrnehmbar mitteilen sollen.

Die Entstehung des Spiritismus wird meist mit den Schwestern Margaret und Kate Fox und ihren Eltern in Verbindung gebracht. 1848 behaupteten sie in einem unlängst neu bezogenen Haus im US-Staat New York seltsame Klopfgeräusche zu hören, welche sie dem Geist eines ermordeten und im Keller begrabenen Hausierers zuschrieben. Die Familie übernahm die schon lange etablierte Technik der „Kommunikation“ mit derartigen „Klopfgeistern“, bei der jedem Buchstaben im Alphabet eine bestimmte Anzahl von Klopfzeichen zugeordnet wird. Bei der ersten öffentlichen Demonstration der „Fähigkeiten“ der Mädchen im November 1848 waren 400 zahlende Gäste anwesend. Bald traten auch andernorts solche Medien auf, hauptsächlich im Nordosten der USA. Auf dem Höhepunkt dieser Welle um 1855 sollen mehrere Millionen US-Amerikaner von der Realität der angeblichen Geisterbeschwörungen überzeugt gewesen sein. Dabei verbreiteten sich schnell auch neue Methoden der „Kommunikation“ mit den Geistern wie das „automatische Schreiben“, bei der der Geist die Hand des Mediums führen soll, oder das Aussprechen der Gedanken der Geister durch in Trance versetzte Medien.

Die von den Fox-Schwestern ausgelöste Spiritismus-Welle verbreitete sich schnell auch in Europa, wo der Franzose Allan Kardec (1804–1869), der erste bedeutende Theoretiker dieser Bewegung, eine auf dem Spiritismus und auf dem Glauben an die Reinkarnation basierende Religion stiftete. Diese Ausbreitung des Spiritismus fiel zeitlich zusammen mit zahlreichen Berichten von Marienerscheinungen, Wunderheilungen oder Levitationen.

In Deutschland fasste die spiritistische Bewegung relativ langsam Fuß und entwickelte sich nicht zu einer Massenbewegung, stieß andererseits aber stärker als in anderen Ländern auf Interesse in intellektuellen und wissenschaftlichen Kreisen.    

Der Leipziger Astrophysiker Karl Friedrich Zöllner veranstaltete 1877 einige Séancen mit dem amerikanischen Medium Henry Slade, an denen einige Wissenschaftler teilnahmen. Slade versetzte Gegenstände in Bewegung und ließ schriftliche Mitteilungen auf Schiefertafeln erscheinen. Zöllner betrachtete dies als empirische Bestätigungen seiner schon länger gehegten Annahme einer vierten Dimension des Raumes und publizierte 1878/79 ausführliche Berichte über diese Experimente, an welche er die Hypothese anschloss, dass geistige Wesen aus der vierten Dimension die beobachteten Phänomene hervorgerufen hätten. In der Presse und in wissenschaftlichen Kreisen stieß Zöllner überwiegend auf teils heftige Kritik. Man warf ihm vor, seine Autorität als renommierter Wissenschaftler zu missbrauchen, um den spiritistischen Aberglauben salonfähig zu machen und bezeichnete ihn gar als geisteskrank.


© Ulrike Sammer 2024-11-10

Genres
Science Fiction & Fantasy
Moods
Mysteriös