by Obergrünwald
Es waren heiße, trockene Juli-Tage, an denen unsere Kuh Susi regelmäßig deutliche Symptome für die bevorstehende Geburt zeigte, obwohl der errechnete Geburtstermin erst in einer Woche wäre. Drei Abende hintereinander beobachteten wir ihr “Umtreten” und den typischen Schleim aus der Scheide. Darum blieb Susi im Stall, während ihre Freundinnen die Nacht auf der Weide genießen durften. Drei Nächte hintereinander stellten wir uns alle zwei Stunden den Wecker für die Kontrollgänge in den Stall. Bevor ich am nächsten Abend die Kinder zum Bettgehen überreden konnte, wollten sie nochmal nach Susi sehen. Es dauerte nicht lange, da kam die Große zurück, um mir fachkundig zu berichten: „De Blodan hots scho ghobt.“ (die Fruchtblase war geplatzt) An Bettgehen war somit nicht mehr zu denken. In aller Ruhe richteten wir Wasserkübel her und holten Stroh. Als mein Mann die Kuh mit einem kurzen Kontrollgriff untersuchte, war es mit der Ruhe aber vorbei. Sein Gesichtsausdruck verriet nichts Gutes. „Drei Haxen (Beine), do brauch ma an Tierarzt“ war die knappe Diagnose.
Dieser stand bald darauf in voller Montur samt Gummischürze im Stall (der bei den aktuellen Temperaturen einer Sauna glich) und versuchte mit beiden Händen in der Kuh die Zwillingskälber so zu drehen, dass die Geburt fortschreiten konnte. Die Kinder verfolgten gespannt das Geschehen, denn so oft kommt es – Gott sei Dank – nicht vor, dass wir tierärztliche Hilfe brauchen. Es dauerte eine ganze Weile, bis wir endlich, mit vereinten Kräften, das erste Kalb herausziehen konnten. Während sich die Kinder sofort um das Neugeborene kümmerten und nicht mehr auf das Geschehen um sie herum achteten, mühte sich der Tierarzt ab, das zweite Kalb lebend zur Welt zu bringen. Bald standen ihm die Schweißperlen auf der Stirn. Das zweite Kalb steckte in der Kuh fest. Der eine oder andere Fluch wurde wahrscheinlich wegen der Anwesenheit der Kinder unterdrückt, bis unter Ächzen endlich ein Bein des zweiten Kalbes zu sehen war. In diesem Moment schaute der Große-Kleine (damals fast 3 Jahre alt) zu uns auf und rief voller Überraschung und Freude:
„Schau Tierarzt, do kumt nu a Keibal!“
Nach einem ersten, eher schroffen “wos glaubst, wos i do de ganze Zeit moch”, musste der Tierarzt aber doch auch über die unverhoffte kindliche Freude lachen. Mit neuem Schwung zogen wir das zweite Kalb aus dem zu engen Geburtskanal. Dieses brauchte, gezeichnet von den Strapazen, deutlich länger bis es wirklich in dieser Welt ankam. Aber dank der liebevollen Pflege der Kinder erholten sich die Zwillinge Stefan und Stefanie schnell und genossen sichtlich die Kuscheleinheiten in der extra großen Box.
Die Kälber entwickelten sich gut, aber zwei Monate später flossen Tränen bei den Kindern, als der Lastwagen vom Viehhändler auf unseren Hof fuhr. Ankunft und Abschied gehören zum Leben dazu, auch das dürfen unsere Kinder lernen.
© Obergrünwald 2022-05-29