Es hängt in der Luft wie sorgfältig aneinandergereihte Wäschestücke an der Leine. Sanft beginnen die Enden der bunten Tücher zu flattern, wenn eine feine Brise durch die Luft streicht. Widerspenstig nehmen die Klammern ihre Aufgabe ernst und halten sie fest. Nur ein paar vorsichtige Schritte auf der Treppe der wehenden Freiheit sind erlaubt. Sich losreißen ist zwecklos. Zu ungewiss ist der Ort, an dem sie zu Boden gehen würden. Zu solide sind sie festgezurrt an den stramm gespannten Schnüren. Sie müssen trocknen, durchnässt vom Schleudergang.
Wie eine Spinne hängen die Worte an einem sprichwörtlich seidenen Faden ihres Netzes. Die Anzahl ihrer Augen lässt sie weitläufig umherumblicken. Ihr scheinbar hilfloses Zappeln in der Luft ist nur ein Ablenkungsmanöver. Das sorgfältig gesponnene Netz hält viel aus, wenn man es gut behandelt. Es nimmt den Morgentau großzügig in sich auf und lässt ihn glamouröse Schönheit ausstrahlen. Die Perlen funkeln in schillernden Nuancen. Das Netz trägt sie mit, obwohl es zarter und feiner aussieht als die runden Kügelchen, die das Netz benetzen und besetzen. Erst wenn mit aller Kraft versucht wird, es zu zerstören, zerreißt es. Dann kleben die willentlich ruinierten Reste an ihr, wie eine Sehnsucht, die sich nicht erfüllen lässt.
Trotz der fein gewebten Fäden ist ein großes lückenhaftes Nichts dazwischen. Nur ein Haufen unsichtbarer Gedanken, nihilistische Wortinnereien, die sich eng aneinandergepresst tummeln. Der aufgestaute Turm ist unendlich hoch, wackelnd wachsend, ein Ungetüm an Schweigen. Vieles kann und konnte nicht preisgegeben werden. Die Worte haben sich inzwischen selbst verirrt im Dickicht der unausgesprochenen Stille, das Herunterschlucken der Buchstaben schnürt die Kehle zu. Es würde zu sehr wehtun, kämen die Silben doch noch ans Licht. Ihr. Ihm. Euch. Uns.
Es sind die Verstrickungen eines Wollknäuels, das umherkullert, unentwirrbar festgezurrt durch ihren eisernen Willen. Das feine Kratzen auf der Haut. Wir sind Marionetten unserer selbst. Komm, lass uns spielen, so tun als ob. Wir sind verbunden, jahrelang, doch sind unsere Seelen verwandt? Beide spielen mit. Die Holzstöckchen klappern aneinander während wir zusammen am Schauplatz des Lebens unbeholfen den Arm heben, weil im Hintergrund jemand daran zieht. Ein Winken. Durch den Zug eines Anderen. Ein Schritt. Durch die Melodie der Stäbe. Ein Vorhang fällt, durch das Ende, die Schnur wird gezogen. Sie spannt sich, knorrig knirscht die Kordel, gezwirbelt und verdreht wendet sie all ihre Kraft auf, um nicht zu bersten. Nicht zu reißen. Ein Knall hallt nach. In der lauten Stille. Der Ruf des Ungesagten hat ein Echo.
© Carina Allerstorfer 2021-09-22