Mensa, mein eigener natürlich schauriger Albtraum, der einzige Ort, an dem Student*innen freiwillig in einer Schlange stehen, ohne dass irgendwer Freibier ausschenkt, und sich anschließend über Kohlrabi Curry auf Reis freuen. Nur um dann gemeinsam an einem klebrigen Tisch zu sitzen und voneinander noch schnell die Hausaufgaben abzuschreiben. Das Beste an einem Mensabesuch sind jedoch die Gespräche der Student*innen, die um einen herumsitzen. Von jenen über das Privatleben, wo man definitiv viel zu viel aus dem Schlafzimmer erfährt, von Leuten, von denen man das definitiv nicht wissen möchte. Über Klausurantworten, von Kommiliton*innen aus dem gleichen Kurs, die man auf keinen Fall jemals in einer Klausur geschrieben hat und dann daran zweifelt, ob man selbst die Klausur in den Sand gesetzt hat oder aber die Person eine Reihe hinter mir am Tisch. Hinzu Gesprächen über die Raffinesse des Mensaessens, wo ich doch sehr an den persönlichen Kochkünsten der Personen zweifele und innerlich eine Liste erstelle, bei wem ich nur ungerne zum Essen eingeladen werden möchte. Also dazu muss gesagt werden, dass unsere Mensa schon sehr gut ist, im Vergleich zu manch anderen Mensen, in denen ich schon gewesen bin. Mal davon abgesehen, dass die Kompositionen nur selten zueinander passen und ich vieles davon noch nie zusammen gegessen habe, ich sage nur Cordon Bleu mit Tomatensoße oder Schollenfilet an Kichererbsen. Eines der schönsten Gespräche, welches ich jedoch jemals verfolgen durfte, war zwischen zwei Mädchen, welche hinter mir saßen. Das Gericht, das bei den beiden auf dem Tisch stand, war Bulgur (was allerdings nicht ausgeschrieben wurde) mit Gemüsegulasch und Tofu. Nachdem Mädchen Nummer 1, wir nennen sie Anna, circa den halben Teller aufgegessen hatte, schaute sie hoch zu Mädchen Nummer 2, wir nennen sie Marie.
Anna: „Ich habe noch nie geraspelten Reis gegessen, aber der schmeckt wirklich gut, oder?“
Marie: „Ja, das finde ich auch. Aber wie raspelt man eigentlich Reis?“
Anna: „Das habe ich mich tatsächlich auch schon gefragt, vielleicht wurde der ganz kurz in einen Mixer geworfen?“
Marie: „Warum haben die den Reis überhaupt geraspelt? Man hätte den doch auch ganz essen können. So viel kleiner sind die Körner jetzt auch nicht.“
Aus dem Nichts kam eine Kommilitonin an den Tisch, die kopfschüttelnd auf die beiden Mädchen zuging und eine nach der anderen verwirrt ansieht. Das Mädchen, wir nennen sie Sophie, lehnte sich vor und betrachtete den halb leeren Teller.
Sophie: „Ich lehne mich mal weit aus dem Fenster, aber ich bin der Meinung, dass euer geraspelter Reis einfach nur Bulgur ist und so rein gar nichts mit Reis zu tun hat. Reis ist Reis und Bulgur ist gedämpfter, getrockneter und zerkleinerter Hartweizen.“ Ohne ein weiteres Wort abzuwarten, ging sie weg und ich konnte mir ein kleines Grinsen nicht verkneifen, auch wenn ich kurzzeitig an der Zukunft gezweifelt habe.
© Lea Chantal Ruff 2023-08-30