Unser letzter gemeinsamer Urlaub

Andrea Panholzer

by Andrea Panholzer

Story
am Land 2024

Um keine Lücke in meinem Plan zu lassen, hatte ich bei Matthias Arbeit angerufen. Ich hatte dem Chef unter Tränen erklärt, dass ich erfahren habe, keine Kinder bekommen zu können und es um unsere Ehe nicht gut stünde. Um einen letzten Versuch zur Rettung unserer Ehe zu machen, würde ich daher gerne eine Reise mit Matthias unternehmen. Matthias Chef war schon immer ein herzensguter Mensch gewesen, daher genehmigte er Matthias spontan die notwendigen Urlaubstage. Auch mein Arbeitgeber ließ sich zu meinem Glück schnell überzeugen. Ich lieh uns ein Wohnmobil und machte mich, gemeinsam mit dem durch Schlafmittel betäubten Matthias, auf nach Italien. Kurz vor der Grenze löste ich die Fesseln. Ich atmete auf, als wir ohne Probleme über die Grenze kamen und ich Matthias diese wieder anlegen konnte. Dann fuhren wir auf den schäbigsten und abgelegensten Campingplatz, den wir finden konnten. Tatsächlich mochte Matthias die Abgeschiedenheit sowie Reisen ins Blaue. Deshalb war auch daran nichts Ungewöhnliches. Ich achtete darauf, einige Fotos zu schießen und schickte sie an seine Mutter. Zum Glück hatten sie nicht die innigste Beziehung, weshalb es noch nicht aufgefallen war, dass er sie noch nicht angerufen hatte. Dann machte ich mich daran, die Dosierung der wahnsinnig starken Beruhigungstabletten und Psychopharmaka zu erproben, die mir mein Mafiafreund besorgt hatte. Das war gar nicht so einfach. Die exakt richtige Dosierung herauszufinden, war fast unmöglich. Schließlich wollte ich ihn ja nicht vollkommen bewusstlos haben und es sollte auch nur für einige Stunden andauern.
Nach zwei Tagen wechselten wir den Campingplatz. Unser neues Areal war ganz in der Nähe des Krankenhauses, in welchem in weiteren zwei Tagen plötzlich eine Krankenakte sowie Aufzeichnungen über unseren Besuch existieren würden, obwohl wir nie tatsächlich dort gewesen wären. Dann könnten wir auch wieder nach Hause fahren. An unserem letzten Tag in Italien schaffte ich es auch endlich, die richtige Dosis zu verabreichen. Matthias saß mit offenen Augen, aber leerem Blick, sabbernd neben mir, als wir die Grenze passierten. Zur Sicherheit hatte ich ihm eine Erwachsenenwindel verpasst. In den letzten Tagen hatte ich eher das Gefühl bekommen, ich würde mich selbst bestrafen, statt Matthias. Durch die Verabreichung der Medikamente wurde er so benommen, dass er nicht mehr daran dachte, auf die Toilette zu gehen. Ich hätte mich um ein Haar übergeben müssen, als ich das erste Mal die Sauerei sauber machen musste. Zuhause würde ich jedenfalls einen Pfleger engagieren. Wir würden ihn sowieso nur tagsüber brauchen, denn nach zwölf Stunden ließ die Wirkung des Medikaments bei der jetzigen Dosierung so weit nach, dass Matthias wieder Herr seiner Sinne wurde. Seinem zusammenhanglosen Gestammel konnte ich entnehmen, dass er sich unter Medikamenteneinfluss in einer Art Schlaf-Wach-Zustand befand und schon das meiste um sich herum getrübt mitbekam. Genau, wie ich es wollte, war er sich also doch allem bewusst, was ich mit ihm machte.
Kaum waren wir wieder zuhause angekommen, wählte ich die Nummer meiner Schwiegermutter. Schluchzend erklärte ich, als sie endlich den Hörer abhob: „Frederika? Es ist etwas Schreckliches passiert. Matthias hatte einen Schlaganfall.“

© Andrea Panholzer 2024-03-10

Genres
Suspense & Horror
Moods
Dunkel, Emotional, Angespannt
Hashtags