Unterzuckert

Gabriele Koubek

by Gabriele Koubek

Story

Ich bin auf der Fahrt von einem anstrengenden Arbeitstag nach Hause. Gemütlich lasse ich mein Auto über die Landstraße gleiten und überlege, was der Tag noch so bringen könnte.

Es ist halb Sechs und ich denke ans Abendessen. Kochen oder nicht kochen ist jetzt die Frage.

Ich kann mich auch ohne Essen einfach nur gemütlich auf die Terrasse setzen und so den Tag ausklingen lassen. Abendessen canceling soll gut für die Figur sein und macht die Küche nicht schmutzig. Dieser Geistesblitz erleichtert mir die Entscheidung.

Zu Hause angekommen setze ich mich sofort mit einem Buch in die warme Abendsonne.

Ein knurrendes Geräusch stört die Idylle. Ich versuche es zu ignorieren aber das Knurren in meinem Magen geht bereits in laute Rufe nach Nahrung über.

Die Konzentration auf die geschriebenen Worte zerfällt. Leicht grantig schaue ich auf die ungelesenen Seiten.

So geht das nicht!

Ich verlasse fluchtartig meinen Ruheplatz und will ins nächste Geschäft das fast 700 Meter entfernt ist. Schon wieder stehe ich vor einer schwierigen Entscheidung. Auto oder Fahrrad. Das Auto gewinnt, denn in dieser unerträglichen Situation auch noch Sport zu machen halte ich für übertrieben.

Außerdem ist Eile geboten, denn in 5 Minuten sperrt der rettende Einkaufstempel zu.

Nach 700 Meter Vollgasfahrt betrete ich mit letzter Kraft das Geschäft. Unsicher schleiche ich durch die Gänge. Natürlich kaufe ich alibihalber etwas Brot, Milch, ein Joghurt und sonst noch so manches Gesundes mit dem man sich bei der Kasse sehen lassen kann.

Da ich ja, wie immer nichts brauche habe ich auch keine Einkaufstasche dabei. Nun sind meine Hände mit dem vernünftigen Zeug voll aber in meinem Kopf brüllt es noch nach Schokolade.

Ich kann unmöglich jemand bitten für mich Schokolade, Manner Schnitten und vielleicht sogar ein winzig kleines Glas Nutella zur Kasse zu bringen. Also lege ich einige der Lebensmittel an ihren Platz zurück und befülle meine Hände mit den Wunschprodukten.

An der Kasse muss man seine Waren, ungeschützt vor den Blicken aller anderen Einkäufer, auf ein Fließband legen. Vor mir bezahlt gerade eine ganz liebe Nachbarin. Sie schaut auf meine Einkäufe und lächelt.

„Bist auch unterzuckert”, fragt sie und lässt mich dabei einen Blick in ihre Einkaufstasche werfen. Da drinnen tummeln sich, unter dem Vollkornbrot, große und kleine Tafeln Milka Schokolade sowie Schnitten und Zuckerln.

Lachend stellen wir fest, dass wir das Problem einer Unterzuckerung auf dieselbe Weise bekämpfen.

© Gabriele Koubek 2023-01-04

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