Onkel Werner ist der Bruder vom Papa Opa, der Onkel von Eurem Papa und Euer Uronkel. Ziemlich kompliziert. Der “Birschi” verbrachte viel Zeit in der Nähe von Landeck. Es gab kein Fernsehen. Die Buben spielten Räuber und Gendarm, Verstecken, Wettrennen, Bäume kraxeln, Ballspiele und Lausbubenstreiche. Sie testeten oft, wer der Stärkste, der Schnellste, der Beste war. Der Werner wusste, dass er sehr, sehr stark war. Seine Oma bewunderte und überprüfte täglich seine Muskeln. Mit diesem Wissen kämpfte er auch mit größeren Buben und weil er an sich glaubte, war er stark. Eines Tages forderten ihn die größeren Buben zu einem Wettkampf. Wettkämpfe zum Beweis der eigenen Kraft waren sein Lieblingsspiel. Nichts war schöner als sich maximal anzustrengen und vielleicht auch zu gewinnen.
In jener Zeit ist man nicht ins Geschäft gegangen und hat dort Kleidung gekauft. Damals haben die Mütter alles selber gemacht. Der Birschi trug selbstgestrickte Strumpfhosen, unter einer gestrickten kurzen Hose. Er hasste beides, weil es kratzte. Erst als er größer wurde, bekam er genähte Hosen. Im Sommer trug er immer eine kurze Lederhose. In den Monaten ohne “r”. War es kühler im Mai, kam unter die Lederhose die gestrickte Strumpfhose.
Wieder zurück zum Wettkampf. Es gab zwei Gruppen: die Kleineren und die größeren – jeweils drei Buben. Die großen brachten Eier mit. Das Kräftemessen bestand darin, dass man mit der bloßen Hand ein Ei zerquetschen musste. Uiui! Erstens war ein Ei ein Lebensmittel und damit spielte man nicht und zweitens war er noch nie auf die Idee gekommen ein Ei mit der Hand zu zerquetschten. Fiel das Ei aus der Hand, war die Wette verloren. Gewonnen hatte man, wenn das Ei durch die Kraft der Hand zerquetscht wurde. Es konnten also alle gewinnen. Die Großen begannen. Der Franzl nahm das Ei in eine Hand und drückte und presste -offenbar war das gar nicht so einfach – und irgendwann gab es einen Knackser und der Eiergatsch rann über seine Hand auf den Grasboden. Lautes Gejohle begleitete seinen Triumph. Nun war der Birschi dran. Er nahm das Ei und drückte und drückte, aber die Finger konnten das Ei nicht umspannen. Die Großen erlaubte ihm beide Hände zu benutzen. Er legte die Arme an den Körper und presste. Es war richtig schwer. Als er schon glaubte, dass er diese Wette verlieren würde, hörte und spürte er den erlösenden Knacks. Er hatte die Augen geschlossen, fühlte den Eiergatsch an seinen Händen und hörte das laute Johlen der großen Buben. Er öffnete die Augen. Als Erstes sah er die kreischenden und brüllenden Großen und die betretenen Gesichter seiner Kollegen. Dann erst schaute er zum Ei. Das Ei war nicht gelb – es war dunkelbraun, matschig und es roch unsagbar grauslig. Es stank ärger als Gülle. Langsam begriff er: Er wurde hereingelegt. Sie hatten ihm ein faules Ei angedreht. Alle hielten Abstand zu ihm, denn er stank unglaublich. Das schlimmste waren seine gestrickten Hosen. Alles war voll faulem Eiergatsch. Jede Masche war mit dem fauligen Zeug durchtränkt.
Der Onkel Werner ist heim geschlichen. Seine Mama war nicht erfreut, denn eine Waschmaschine gab es noch nicht. Ja, faule Eier bleiben lange in Erinnerung – in unserer Geschichte beinahe 80 Jahre lang.
© Kornelia Fussenegger 2023-12-01