V, der Weltenwanderer- Kapitel 8

Corbiart

by Corbiart

Story

Kapitel 8 – der Ruf des Dolches

Der Regen kam plötzlich. Kein sanftes Tröpfeln, sondern ein tosender Strom, als hätte der Himmel selbst den Atem angehalten und nun alles auf einmal ausstieß. Donner krachte über uns hinweg, Blitze zuckten durch das dichte Blätterdach. Der Dschungel wurde zu einem einzigen, dampfenden Chaos.„Dort!“, rief ich gegen den Sturm. Ein gewaltiger Baum, verwurzelt auf einem kleinen, unscheinbaren Hügel, bot etwas Schutz. Thea duckte sich unter das nasse Blätterdach, zitternd, ihre goldenen Haare klebten an ihrer Stirn. Ich wollte gerade das Schwert ablegen, als mein Blick auf den Stein unter dem Baum fiel. Moos, Ranken – und darunter: eine Rune. Alt. Vertraut. „Das Symbol …“, murmelte ich. Meine Finger legten sich auf die Gravur. Sie reagierte sofort. Mit einem tiefen Grollen schob sich der Fels zur Seite, offenbarte eine Treppe, die ins Dunkel führte. Ein seltsames, warmes Leuchten schien von unten zu kommen. Thea sah mich unsicher an. „Was ist das?“ „Ein Ruf“, sagte ich. „Er hat uns hier hergeführt.“ Wir stiegen hinab. Der Gang war alt, aber nicht verfallen. Die Wände waren glatt, aus schwarzem Gestein, durchzogen von goldenen Linien, die schwach pulsierten. Immer tiefer führte der Pfad – und mit jedem Schritt spürte ich ihn näher. Drachenvater „Dies ist nicht nur ein Ort“, hallte seine Stimme in meinem Inneren. „Es ist ein Spiegel deiner Seele.“ Wir kamen an Räumen vorbei – der erste war eine Bibliothek, staubig, gefüllt mit uralten Schriftrollen, die in einer Sprache verfasst waren, die mein Blut zum Vibrieren brachte. Der nächste Raum: ein Kaminzimmer. Warm. Still. Als hätte jemand erst vor wenigen Minuten den Stuhl zurückgeschoben. Dann: ein Trainingsraum. Statuen standen im Kreis, Waffen hingen an der Wand. Es war, als hätte jemand genau mich erwartet. Doch der letzte Raum war der Mittelpunkt: ein Altar – rund, aus Obsidian. Darauf: ein Dolch. Er sah aus, als sei er in einer Vision geschmiedet worden. Die Klinge war rubinrot, flach geschliffen, als wäre sie aus Licht und Kristall zugleich. Der Schaft tiefschwarz, von Goldlinien durchzogen. Ein Rubin, wie ein Herz, glühte an seinem Ende. Ich zögerte nicht. Etwas in mir wusste: Das war mein nächster Schritt. Meine Hand legte sich um den Griff. Ein Stoß durchfuhr mich – wie Feuer und Eis zugleich. Ich fiel auf die Knie. Mein rechter Arm zitterte, dann mein ganzer Körper. Thea wollte mich berühren, doch ich hob eine Hand. „Nein… Es ist richtig. Mein rechtes Auge brannte – und wurde schwarz wie die Nacht. Meine Haare flackerten kurz, und rote Strähnen durchzogen das Dunkel wie flüssige Glut. Der Dolch vibrierte – und verstummte dann, als wäre er mit mir eins geworden. „Du trägst nun den Dolch des Welteinwanderers.“ Drachenvaters Stimme war ruhig, aber durchdringend. „Ein Fragment meiner Macht wohnt nun in dir. Die Kraft der Drachen vereint mit deinem vampirischen Blut – das Gleichgewicht ist geboren.“ Ich stand auf. Die Klinge in meiner Hand fühlte sich nicht fremd an – sie war ein Teil von mir. „Was soll ich damit tun?“, fragte ich. „Wandel zwischen den Welten. Trenne Wahrheit von Lüge. Doch wisse: Diese Macht wird dich prüfen und wer sie begehrt, wird dir folgen.“


© Corbiart 2025-05-01

Genres
Science Fiction & Fantasy