Vagina und Penis am Dom

Walter Weinberg

by Walter Weinberg

Story
wien 0167 – 2024

Die Architektur der Westseite des Stephansdoms zeigt sich in einem völlig gegensätzlichen Erscheinungsbild zur gotischen Südseite. Die schmucklose Architektur wird nur durch kleine Fenster durchbrochen. Das riesige gotische Fenster wurde erst Jahrhunderte später durchgebrochen, um mehr Licht in den Dom zu bekommen. In der Romanik war man überzeugt, Mauern würden einstürzen, wenn sie zu große Fensteröffnungen hätten! Später in der Gotik verfügten die Dombaumeister bereits über das Wissen um die Gesetze der Statik. Die Steinblöcke auf der ältesten Seite des Doms stammen tatsächlich von einem dafür abgetragenen römischen Gebäude. Die Häuser der Soldaten im ursprünglichen Militärlager der Römer wurden zwar bereits vor 2000 Jahren aus gebrannten Ziegel gebaut, aber der Kaiserpalast des berühmten Kaisers Marc Aurel im römischen Vindobona wurde aus großen Steinblöcken errichtet. Dieser Kaiser, der auch Philosoph war, lebte für 13 Jahre ausschließlich in Wien, um von hier aus die Germanen zu bekämpfen. Der Stamm der Markomannen bedrohte die römische Grenze entlang der Donau bereits seit Jahrzehnten. In den Jahren der Verteidigung der Nordostgrenze des Weltreiches benötigte der Kaiser selbstverständlich eine angemessene Residenz, regierte er doch das riesige Römische Imperium von Wien aus! Bei den Kaiseraudienzen musste den wichtigen Patriziern und Senatoren selbstverständlich der übliche Luxus und Prunk, den sie aus Rom gewöhnt waren, geboten werden. Nichts ist übrig geblieben vom Palast des ersten Kaisers, der je in Wien gelebt hatte, denn alle Steinblöcke davon wurden für den Stephansdom gebraucht! Der Haupteingang des Doms wird bis heute „Riesentor“ genannt, aber gewiss nicht, weil er so eindrucksvoll groß wäre! Vielmehr weil man beim Bau des Doms in der Erde riesige Knochen gefunden hatte, die tatsächlich aussahen wie die Rippen eines Riesen. Eine andere Erklärung konnte man damals nicht finden, weshalb das Portal zum sakralen Innenraum des Doms diesen Namen erhielt. Nach der Fertigstellung des Stephansdoms wurden die Knochen sogar im Eingangsbereich des Doms aufgehängt. Erst Jahrhunderte später fand man heraus, dass es sich doch nicht um Rippen eines Riesen handelte, sondern um Stoßzähne von urzeitlichen Mammuts! Heute kann man die Rippen des Riesen im Wien Museum bestaunen, und das völlig kostenlos! Das Riesentor besitzt das Prädikat „Heilige Pforte der Barmherzigkeit“, über welches nur besondere Kirchengebäude verfügen. Über dem Tor thront Christus als Weltenrichter in einfacher romanischer Darstellung, die für das frühe Mittelalter typisch ist. Zahlreiche dämonische Wesen um das Riesentor sollen Dämonen und böse Geister vor dem Eintritt in das Reich Gottes auf Erden abschrecken. Das ornamentale Flechtwerk an den Säulen neben dem Eingang soll Dämonen sowie böse Geister binden, würden sie versuchen hineinzugelangen. Links und rechts neben dem Riesentor befindet sich jeweils unter den beiden runden Uhren eine rätselhafte Darstellung. Meist werden diese einfach übersehen! Die mystischen Symbole passen so gar nicht zu einer Kathedrale: links erkennt man eine Vagina und rechts einen Phallus! Während der Antike befand sich an der Stelle des heutigen Stephansdoms ein Fruchtbarkeitsheiligtum. Um den heidnischen Kult zu brechen, beschloss man die Geschlechtsteile von Mann und Frau symbolhaft an der Fassade des Stephansdoms anzubringen, so wie man es auch mit den Dämonenfiguren um das Riesentor gemacht hatte!

© Walter Weinberg 2024-08-14

Genres
Novels & Stories
Moods
Herausfordernd, Informativ, Mysteriös
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