Die RE7 rollt gerade in Schwelm los, auf dem Weg zu ihrem nächsten Halt: Wuppertal-Oberbarmen.
Ich wohne jetzt schon seit einigen Jahren nicht mehr hier, jedoch freue ich mich immer wieder, an diesem Bahnhof vorbeizufahren. Er ist beileibe nicht der Einladendste, jedoch haften an ihm Erinnerungen. Nachdem ich mein Studium in Regensburg erfolgreich abgebrochen hatte, suchte ich bei Google nach angewandter Chemie. Die Treffer waren entweder Jülich oder Wuppertal.
Zugegeben, musste ich erstmal prüfen, wo dieses sagenumwobene Wuppertal denn liegt, doch stand mein Entschluss fest. Ich wollte nach Wuppertal.
Ich zog in eine WG, 5 Leute, 5 Zimmer, eine Küche, zwei Balkone, zwei WCs. Witzige Abende, nette Gespräche und die ein oder andere dezent eskalierte Party. Natürlich auch eine Vanessa. Mittlerweile haben wir nur losen Kontakt, aber sie stand für diesen Neubeginn, diesen Funken Hoffnung, den man verspürt, wenn man ein neues Studium an einer neuen Uni in einer neuen Stadt beginnt.
Schnell jedoch holte mich die Realität ein. Eine geschobene Klausur jagte die nächste, die Diskothek nebenan wurde mein Stammlokal und der erhoffte Erfolg blieb aus. Dafür hatte ich aber immerhin jede Menge Spaß. Es kamen neue Freunde hinzu, die blieben, bekannte Gesichter gingen, entweder zurück in die Heimat oder in die Nachbarorte.
Ich verliebte mich in dieser Zeit ein bisschen in Wuppertal. Man lässt Züge durch die Stadt fahren, weil sie unter der Erde nicht fahren können, ist wahnsinnig unkreativ mit dem Namen der Stadt, ist ebenso unkreativ beim Benennen der Diskotheken: Butan (Es stand neben einem alten Butantank), B7 (es war an der B7), Propan (es war neben dem Butan), und doch hat diese Stadt einen gewissen Charme.
Ich schweife ab, typisch, als ich den Bauhaus sehe, denke ich zurück an die WG. Über die Jahre kamen mehr WGs ins Haus, Leute zogen ein, zogen (sich) aus und die Tage vergingen. Was nehme ich aus dieser Zeit mit? Ich kann nicht ohne Beschäftigung oder Arbeit sein. Ich gehe mir und meinem Umfeld dann sehr auf die Nerven. Da habe ich schon meine erste Schwäche für das Gespräch: Kann nicht unbeschäftigt sein.
Vanessa, die Zweite, war damals ein regelmäßiger Gast. Auch über sie habe ich nichts Negatives zu berichten, war sie doch stets höflich und zuvorkommend. Auch ihre Person ist nicht der Grund, warum ich mich an sie erinnere. Sie erwähnte einmal, sie möge das Lied „Sieben“ von Subway to Sally. Das war für sie doch sehr untypisch, hörte sie doch weitestgehend Schlager und Subway to Sally ist mehr Gothic, und trotz allem fand ich es sympathisch. Im Geiste fragte ich mich erneut, warum der Sänger die 7 so gut findet. Gilt sie doch in einigen Teilen der Welt als Unglückszahl. Vielleicht sollte die RE7, die am Ausweichgleis anhält, darüber nachdenken, sich umnummerieren zu lassen.
Ich sehe den ICE an uns vorbeiziehen. Er ist auf dem Weg nach Köln. Ich hoffe, er hat keinen technischen Defekt.
© Sven Scheunemann 2024-04-14