by CoraSchulz
Die Suche nach meinem leiblichen Vater führte mich nach Frankreich. Nachdem meine Mutter sich lebenslang über ihn ausgeschwiegen hatte, blieben mir nur ein paar alte Fotos, auf deren Rückseite französische Liebesschwüre, das jeweilige Datum und der Ortsname zu finden war. Die Unterschrift war auf jedem Foto ähnlich: dein kleiner Jean, der dich unendlich liebt. Was war passiert, dass sie doch nicht seine große Liebe gewesen war?
Eines Tages fuhren wir einfach los, die Reise ging bei strahlendem Sonnenschein quer durch Frankreich Richtung Bordeaux, an den vielen Weinreben vorbei in einen kleinen Ort an der Dordogne. Obwohl ich schon ein paar mal in Frankreich Urlaub gemacht hatte, war es diesmal anders, auf der Fahrt ging ich nochmal die wichtigsten Redewendungen und Vokabeln durch. Mein Schulfranzösisch war eine Katastrophe und ich verstehe wohl sehr viel, aber es kostet mich Überwindung selbst Französisch zu sprechen, würde es reichen, um einen Menschen zu suchen?
Der kleine Campingplatz lag direkt am Ufer der Dordogne, eine herrliche Parkanlage mit altem Baumbestand, neugierigen Eichhörnchen und stimmungsvollem Vogelgesang. Zur Begrüßung kam Gastgeberin Catherine, die aus einer Winzerfamilie stammt, mit ihrem Traktor angefahren. Zur Überraschung, hatte sie auch schon eine Bekannte organisiert, der sie von meiner Geschichte erzählt hatte und die mir bei der Suche behilflich sein wollte. Sie fuhr noch am selben Nachmittag mit mir zum Rathaus, sie kennt dort eine Mitarbeiterin und viele Leute im Dorf. Leider kannte dort niemand den Gesuchten, aber anhand der Fotos und dem Namen, konnte auf dem Friedhof eine weitläufige Verwandte ausfindig gemacht werden. Plötzlich befand ich mich in meinem eigenen Film, vermisste Person gesucht, was im Fernsehen immer so surreal erscheint.
Wir haben sehr viele ältere Einwohner der Gemeinde und auch in den umliegenden Dörfern befragt, alle waren sehr nett, letztendlich konnte aber niemand weiter helfen.
In der Region gab es ungefähr 15 Menschen, die den gleichen Namen tragen, Telefonate blieben erfolglos. Durch Zufall ergab sich durch eine Internetrecherche ein Treffer. Ausschlaggebend war die Information, dass er Fischer war, so fanden wir einen Eintrag in Arcachon, einer Hafenstadt am Atlantik.
Dort traf ich zunächst auf die Frau vom kleinen Jean, die sich nach 50 Jahren noch an den Namen meiner Mutter sehr gut erinnerte, aber auch nichts dazu sagen wollte und danach auf seinen Sohn, der über mein Erscheinen nicht erfreut war. Wie hätte ich mich denn anmelden sollen? Er gab mir die Telefonnummer und den Ort, nahm mir das Versprechen ab, nicht zu sagen, dass ich die Informationen von ihm habe, er hat mit seinem Vater nichts mehr zu tun.
So habe ich mit Herzklopfen die Nummer gewählt und er hat sich mit mir getroffen. Er möchte keinen weiteren Kontakt. Wir haben ein Bild gemacht und damit war die Mission beendet.
Nicht immer freut sich ein vermisster Verwandter darüber gefunden zu werden.
© CoraSchulz 2021-01-27