Vater Jakob, mein Retter und Held!

Philip

by Philip

Story

Bevor mein Vater jenen Zug betrat – auf den Waggons war der Spottvers aufgemalt worden ‘diese alten Affen sind unsere neuesten Waffen’ – bat er meine Mama, mach aus unserem Sohn einen rechten Mann! Meine Mama versprach ihm das bei ihrer gemeinsamen Liebe. Sie versuchte es ja zu verhindern, dass Vater – er war ja wegen seiner krankhaft vergrößerten Venen (Krampfadern) am linken Fuß vollkommen wehruntauglich – von Nazideutschland in den 2. Weltkrieg eingezogen würde. All ihre Vorbringungen waren vergebens, wiederholt wurde ihr entgegengehalten, dass ja ihr an perniziöser Anämie leidendes Kind erst infolge der vom deutschen Kulturbund bezahlten Leberinjektion wieder gesund wurde.

Von meinem Vater und von dem mit ihm an die Front gebrachten Onkel Andreas Trautmann hörten und sahen wir zunächst nichts mehr. Dank ihrer kunsthandwerklichen Fähigkeiten, ihrer Kochkunst und geschickter Hauswirtschaftsführung ging es uns ganz gut. Nur ausreichend Bargeld fehlte, welches Mama gebraucht hätte, um mir die Schulsachen zu kaufen, nachdem die Beamten der Behörde das Armenschülerrecht für mich als Halbwaise nicht mehr weitergewähren wollten. Diese Beamten machten ihr klar, dass ich ihr abgenommen würde und in ein Kinderheim käme, wenn sie mich nicht mehr zur Schule schickte. Darauf entgegnete meine Mama, dann werde mein Kind doch weiter zur Schule kommen. Da sie aber das Geld nicht habe, um mir die teuren Schulsachen zu kaufen, werde sie ihr Kind mit Schiefertafel, Griffel und Schwamm ausgestattet zur Schule schicken. Da schämten sich die örtlich Zuständigen doch so sehr, dass das Armenschülerrecht für mich weiter gewährt wurde.

Gott sei Dank kam im Jahr 1954 Onkel Andreas aus der russischen Kriegsgefangenschaft nach Hause. Mein Vater und er seien im Herbst 1944 in Szedergen/Ungarn in russische Kriegsgefangenschaft geraten. Bis 17.12.1944 seien sie in einer Schule in Sombor – Jugoslawien angehalten worden um dann in Gewaltmärschen durch 4 Tage und 4 Nächte ins Lager Temesvar/Rumänien getrieben zu werden. Bei diesem Gewaltmarsch rissen meines Vaters Venen auf, sodass ihn Onkel Andreas ungefähr 20 km stützend mitnehmen musste, da allgemein bekannt war, dass die Russen gehunfähige Gefangene nicht lebend zurücklassen würden.Im Gefangenenlager Temesvar waren keine sanitären Anlagen vorhanden gewesen, die ärztliche Betreuung der Gefangenen sei sehr schlecht gewesen. Da der linke Fuß meines Vaters infolge der aufgerissenen Venen schon dick angeschwollen und ganz schwarz gefärbt war, schenkte Vater Onkel Andreas seinen schönen und warmen Militärmantel mit den Worten: „nimm meinen Mantel Andreas! Du wirst ihn in Sibirien noch brauchen! Ich brauch ihn nicht mehr – du siehst ja meinen Fuß, wahrscheinlich werde ich nurmehr einen Tag überleben.”

Aufgrund der Auskünfte meines Onkels und der Angaben des Lagerarztes wurde mein Vater mit 3.3.1945 für tot erklärt. Die Kriegswitwenrente erhielt Mama erst 10 Jahre später.

© Philip 2021-05-04